Kulturlabor Freiburg

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Diskursraum #5

Nachhaltigkeit und Klimaschutz

Grundlagen und gelebte Praxis für Kultureinrichtungen und Kulturschaffende

19. September 2022, Hochschule für Musik

Ralf Weiß von der bundesweiten Initiative Culture4Climate führte als Hauptmoderator und auch Inputgeber durch die Veranstaltung und begrüßte die Gäste. Clementine Herzog hieß die ca. 40 anwesenden Teilnehmer_innen im Namen des Kulturamtes willkommen und stellte den Zusammenhang zum Beteiligungsprozess des Kulturlabors her.

Nach einer kurzen thematischen Einführung (PDF, nicht barrierefrei) (437,4 KB) lud Ralf Weiß die Anwesenden ein, sich kurz vorzustellen und konkrete Anliegen an die Veranstaltung und zum Thema zu benennen. Vor allem folgende genannte Aspekte sollten die Runde im Folgenden noch weiter beschäftigen:

  • Gebäude von Kultureinrichtungen sind oftmals nicht Eigentum der Einrichtung, sondern unterliegen der Verantwortung externer Träger (z. B. Stadt Freiburg, Amt für Liegenschaften und Wohnungswesen). Nicht immer ziehen Eigentümer und Nutzer dabei an einem Strang. In Bezug auf klimaschützende Investitionen sind daher vielen Freiburger Einrichtungen die Hände gebunden. Nutzerinnen wünschen sich, dass dieser Tatsache mehr Beachtung gezollt wird.
  • Erwartet wird explizit eine umsetzbare Unterstützung und konkrete praktische Ansätze, wie klimaschonende Arbeit in Einrichtungen möglich ist.
  • Die Tatsache, dass sich freie und auch städtische Kultureinrichtungen in ihren Initiativen und Aktivitäten meist mit mehreren Stellen in der kommunalen Verwaltung abstimmen müssen, und dass klimaschützende Initiativen oftmals interdisziplinäre Lösungen erfordern, erhöht das Interesse einer stärkeren Vernetzung zwischen den einzelnen städtischen Ämtern.
  • Des Weiteren wurde in Bezug auf ressourcenschonende Arbeit angeregt, über „Sharing“-Ansätze nachzudenken und Materialien, Geräte etc. zu teilen.

Ralf Weiß stellte zunächst die bundesweite Initiative für Klimaschutz und Nachhaltigkeit Culture4Climate vor, die in einem Dreijahresprogramm sowohl auf der strategischen wie auch auf der operativen Ebene bundesweit Kultureinrichtungen berät. In diesem Rahmen werden Fördercoachings und Weiterbildungen angeboten, die Kultureinrichtungen auch bei der Umsetzung von geeigneten Maßnahmen unterstützen. Durch eine Nachhaltigkeitsdeklaration, die Ende September der bundesweiten Presse zugänglich gemacht wird, sollen zudem auf politischem Wege die Bedarfe von Kultureinrichtungen öffentlichkeitswirksam formuliert werden. Anhand ausgewählter Zitate stellte Ralf Weiß darüber hinaus auch plastisch dar, wie sehr sich nachhaltiges Handeln von Kultureinrichtungen aufgrund aktueller Entwicklungen inzwischen eher als Notfallpläne denn als ‚Green Culture‘ lesen lassen müssen.

Für einen hilfreichen Einblick, wie eine Kultureinrichtung sich auf den Weg hin zu einer klimaverantwortlichen und nachhaltig wirkenden Arbeitsstätte entwickeln kann, sorgte Volker Doberstein von Enjoy Jazz / Festival for Jazz and More aus Heidelberg. Seine Ausführungen in Form eines 12-Punkte-Planes veranschaulichten ein Gesamtkonzept einer Einrichtung. Geplant auf zwei Jahre, enthält es u. a. umsetzbare Einzelschritte wie Pilotprojekte zu Einzelzielen, entsprechende Veränderungen in der Organisationsstruktur sowie Ansätze zum politischen Handeln, z. B. durch Netzwerkarbeit auf unterschiedlichen Ebenen, um den Druck auf die Öffentlichkeit sowie die Entscheidungsebenen zu erhöhen. Prioritär sind sinnvollerweise erstens die Handlungsfelder, die man selbst beeinflussen kann und zweitens die Handlungsfelder, die im eigenen Betrieb die größte Wirkung erreichen können (wo z. B. am meisten Klimagase emittiert werden).

Beispiel Enjoy Jazz Festival

  1. Mitarbeiter sensibilisieren und mitnehmen
  2. Definition des Handlungsrahmen (in unserem Falle soll es nicht nur um Treibhausgas-Reduktion gehen, sondern umfassender um „Nachhaltiges Event-Management“, das sich an den SDGs orientiert und z.B. auch Aspekte wie faire Löhne und Honorare oder Fragen der Sicherheit umfasst).
  3. Eigene Vor-Ort-Netzwerke bilden: informell (Wer hat mit dem Thema bereits Erfahrungen gemacht?) und operativ (in unserem Falle zählt dazu die bereits erfolgte Gründung einer Arbeitsgemeinschaft (GbR) mit einem anderen renommierten Musikfestival der Stadt, dem Heidelberger Frühling; die AG steht für weitere Mitglieder aus der Region offen)
  4. Personelle Verantwortung festlegen (Wir z.B. haben über die AG die Stelle eines/einer Transformations-Beauftragten Umweltmanagement in Vollzeit ausgeschrieben, die aktuell besetzt wird)
  5. Entwicklung eines Kommunikationskonzepts
  6. Verlässliche Handlungsgrundlagen schaffen (In unserem Falle haben wir Mittel für die Erstellung einer Klimabilanz eingeworben, dann einen Dienstleister vor Ort mit der Umsetzung beauftragt; sie wird Ende November vorliegen und im Dezember seitens des Dienstleisters um einen Maßnahmenplan bzw. eine Road Map ergänzt werden)
  7. Bestehenden, auch überregionalen Netzwerken und Initiativen beitreten, um den Wissenstransfer zu beschleunigen (in unserem Falle z.B. die Initiative Culture4Climate sowie die Teilnahme an einschlägigen Konferenzen und Podien)
  8. Eigene überschaubare Pilotprojekte definieren und umsetzen, um erste praktische Erfahrungen mit dem Thema zu machen (in unserem Fall war das zum Beispiel eine Green Touring Veranstaltung)
  9. Belastbare Selbstverpflichtungen eingehen (in unserem Falle waren das u.a. die Gründung der erwähnten AG, aber auch die Unterzeichnung der Nachhaltigkeitsdeklaration von Culture4Climate)
  10. Umsetzung der Road Map
  11. Partner für den strukturierten nachhaltigen Wissensaufbau (Capacity Building) finden (z.B. über einschlägige Förderanträge, die wir gestellt haben und die gerade in der Entscheidung sind)
  12. Künstler:innen und Publikum, aber auch Politik und Wirtschaft (Sponsoren) informell und ggf. auch operativ in ein gemeinsames verantwortungsvolles Handeln einbinden
  13. Weiterentwicklung der Road Map bis zur ISO-Zertifizierung (Begleitung durch einschlägige Dienstleister)
Ina Rüdenauer vom Ökoinstitut hält einen Vortrag neben dem Banner des Kulturlabors
Vortrag von Ina Rüdenauer, Ökoinstitut

Salina Kahle stellt im Anschluss als Beispiel vernetzter politischer Arbeit die Nachhaltigkeitsdeklaration von Culture4Climate vor. Grundlage ist eine Selbstverpflichtung von Kunst- und Kultureinrichtungen, Kulturverwaltungen, Kulturverbänden und Kulturakteur_innen aller Kultursparten zur Verankerung von Nachhaltigkeit und Klimaschutz in den eigenen Arbeitsabläufen. In fünf Grundsätzen werden die Ziele umrissen, über fünf Leitziele soll dazu die Handlungsebene entsprechend gesteuert werden. Das Netzwerk Culture4Climate bietet auch Hilfestellungen für die Umsetzung in Form von Klimaschutz-Partnerschaften mit der Wirtschaft an, den sogenannten SDG-Tandems. Darüber können Lernprozesse verkürzt und Wissenstransfer im Bereich Nachhaltigkeitsmanagement geleistet werden. In Rahmen dieses auf drei Jahre ausgerichteten Programms sollen bundesweit bis zu 30 regionale SGD-Teams entstehen.

Nach der Pause ging es zunächst inhaltlich weiter: Unter dem Titel „Klimaneutralität versus Klimaverantwortung“ wurden die Teilnehmer_innen von Ina Rüdenauer vom Ökoinstitut e. V. in Anspruch und Praxis des Begriffs Klimaneutralität sowie seine Untiefen eingewiesen. Als eine mögliche, vielleicht auch weiterführende Alternative zur Klimakompensation schlägt sie das Konzept der Klimaverantwortung vor (siehe Anlage, PDF nicht barrierefrei (635,4 KB)).

Mit Jürgen Sutter vom Ökoinstitut e. V. konnten die Teilnehmenden sich dann nochmals zusammenfassend mögliche Schritte hin zu einem klimaverantwortlichen Handeln vor Augen führen. Ausgehend von der Betrachtung vorhandener Treibhausgasemissionen und einem notwendigen Ranking selbiger führte Sutter in Maßnahmenbereiche ein, die für Kultureinrichtungen relevant sein könnten (siehe Anlage, PDF nicht barrierefrei (635,4 KB)).
Mit der Frage an die Teilnehmenden, welche Erfahrungen hierzu bei ihnen vorliegen, öffnete er die Austauschrunde zu den gehörten Inputs.

Es entspann sich eine lebhafte Diskussion, die zum Teil die Aspekte der Anfangsrunde wieder aufgriff und teilweise auch schon konkrete Umsetzungsideen enthielt:

  • Ein erster Schritt könnte sein, ein Gutachten in Auftrag zu geben, wie die Energieeffizienz des eigenen Gebäudes zu verbessern wäre (Kommunales Kino Freiburg)
  • Mehrfach wurde von den Teilnehmenden betont, dass der Anspruch, Klimaschutz und Nachhaltigkeit in der kulturellen Arbeit zu verankern, eine nicht nur wichtige, sondern eine existentielle Dringlichkeit ist.
  • Ins konkrete Handeln zu kommen ist allerdings eine komplexe Aufgabe, die zu bewältigen für viele freischaffenden Künstler_innen und Kultureinrichtungen ihre personellen und finanziellen Ressourcen übersteigt. Wünschenswert und im Sinne nachhaltigen Handelns wäre, wie auch das Beispiel Enjoy Jazz Heidelberg zeigt, personelle Ressourcen in das eigene Nachhaltigkeitsmanagement zu verankern.
  • Da dies für viele Kultureinrichtungen in Freiburg nicht möglich sei, wird eine zentrale Beratungsstelle gefordert, die z. B. beim Kulturamt angesiedelt ist, um die Künstler_innen und Vertreter_innen von Kultureinrichtungen bei Fragen strategischer, organisatorischer sowie monetärer Art bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen zu unterstützen.
  • Neben einer Bündelung von Kompetenzen besteht auch der Wunsch, Informationsquellen zum Thema zugänglich zu machen.
  • Gerade auch aus der Perspektive von freien Künstler_innen ohne eigenes Haus bestehen offen gebliebene Fragen wie z. B.: Wie bewege ich meine Kooperationspartner dazu, in eine klimaverantwortliche Haltung zu gehen (auch wenn noch keine gesetzlichen Regelungen dazu bestehen)? Wie übe ich effizient politischen Druck aus?

In der Abschlussrunde wurde von Culture4Climate nochmals auf das Förderprogramm der Nachhaltigkeitsstrategie aufmerksam gemacht und dazu eingeladen, sich bei Interesse an einem SDG-Tandem für weitere Informationen bei den Referent_innen zu melden. Dies war auch im direkten Nachgang zur Veranstaltung möglich.

Kontakt

Jürgen Sutter
Senior Researcher
Öko-Institut e. V., Büro Darmstadt
Ressourcen & Mobilität
Rheinstraße 95
64295 Darmstadt
Telefon: +49 61518191-152
E-Mail: j.sutter@oeko.de

Mit großem Dank an alle Teilnehmenden für die interessanten Impulse und die engagierten Gespräche und mit Hinweis auf die nächsten Veranstaltungen des Kulturlabors wurde die Veranstaltung beendet. Danach folgten noch einige informelle Gespräche im Foyer der Hochschule für Musik.

In Kooperation mit:

  • culture4Climate - der bundesweiten Initiative zur Umsetzung der globalen Klima- und Nachhaltigkeitsziele im Kulturbereich
  • Öko-Institut e.V.
  • 2N2K - Netzwerk Nachhaltigkeit in Kunst und Kultur
  • Enjoy Jazz – Festival for Jazz and more in Heidelberg, Mannheim und Ludwigshafen 
  • Kulturpolitische Gesellschaft – Plattform für kulturpolitische Diskurse in Theorie und Praxis in Deutschland