4. Mai 2021

Nachlese: Digitale Fachtagung "Pflege & Vielfalt"

Über 100 Teilnehmenden verfolgten über den eingestellten Stream und über ZOOM die digitale Fachtagung "Pflege & Vielfalt".


Über 100 Teilnehmenden verfolgten über den eingestellten Stream und über ZOOM die digitale Fachtagung "Pflege & Vielfalt".

Kultur- und geschlechtssensible Pflege stehen im Spannungsfeld zum Fachkräftemangel und der Corona-Pandemie. Altersarmut trifft viele Menschen, ist einer der Aspekte, der im Kontext von Pflege von besonderer Bedeutung ist. Hinzu kommen geschlechtsspezifische Aspekte und Bedarfe, die sich unterscheiden. Was ist wichtig - was ist nötig und möglich, um kultur- und geschlechtersensible Aspekte im Alltagshandeln von Pflege zu verankern?Darüber diskutierten Menschen aus den unterschiedlichen Landesteilen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz.

Organisiert wurde die Fachtagung "Pflege & Vielfalt" von der Geschäftsstelle Gender & Diversity in Kooperation mit Checkpoint Aidshilfe Freiburg e. V. und Theater Freiburg sowie verschiedenen Dienststellen der Freiburger Stadtverwaltung und im Zusammenwirken mit externen Fachexpert_innen.
Wir freuen uns sehr, die Thematik "Pflege & Vielfalt" mit verschiedenen fachlichen Inputs sowie durch den sehr ertragreichen Diskurs während der Fachtagung miteinander erörtert zu haben.

Eine Dokumentation der Vorträge erfolgt mit der hier abrufbaren Videoaufzeichnung - eine Zusammenfassung als PDF mit allen Beiträgen wird ebenfalls zeitnah veröffentlicht werden.

Wir bedanken uns bei allen aktiven Mitwirkenden - den ertragreichen Gedankenaustausch und die vielfältigen neuen Kontakt, die die Online-Konferenz befördert hat.

Geschäftsstelle Gender & Diversity
Checkpoint Aidshilfe Freiburg e. V.
Logo SchriftzugTheater Freiburg
Logo Amt für Soziales und Senioren

Programm

16:00 Uhr Begrüßung:
Annette Winker, Musikerin, Fagottspiel
Snežana Sever, Leitung, Geschäftsstelle Gender & Diversity
Ulrike Hoffmeister, Geschäftsführung, Checkpoint Aidshilfe Freiburg e. V.
Klaus Stehling: Moderation
16:05 Uhr Kurzvorstellung des Programms
16:15 Uhr Grußwort: Martin W.W. Horn, Oberbürgermeister Stadt Freiburg
16:25 Uhr Grußwort: Walter Krögner, Vorstand Checkpoint Aidshilfe Freiburg e. V.
16:30 Uhr Grußwort mit fachlichen Input von Prof. Dr. Thomas Klie: „Diversität in der Pflege“
16:40 Uhr Vorstellung der fünf Referent_innen
16:50 Uhr Boris Gourdial, Leitung, Amt für Soziales und Senioren, Stadt Freiburg
„Kultur- und geschlechtersensible Pflege im Spannungsfeld zum Fachkräftemangel und der Corona Pandemie“
17:00 Uhr Heike Gronski, Deutsche Aidshilfe e.V.
„Besondere Situation und spezielle Bedürfnisse von älteren Menschen mit HIV im Bereich der Altenpflege“
17:15 Uhr Ralf Lottmann, Vertretungsprofessur Gesundheitspolitik, Hochschule
Magdeburg-Stendal
„Vorstellung des AWO-Praxishandbuchs zur Öffnung der Altenhilfe-Einrichtungen für LSBTTIQ-Menschen“
17:25 Uhr Lothar Andrée, Arbeiterwohlfahrt (AWO) Bundesverband e. V.
„Das Praxishandbuch zur Öffnung der Altenhilfe-Einrichtungen für LSBTIQ*“: Entstehung – Erprobung – Erkenntnisse“
17:40 Uhr Reingard Wagner, Lesben und Alter e. V. Hamburg
Altersarmut von lesbischen Frauen – warum sind sie besonders armutsgefährdet?“
17:55 Uhr Fragerunde
18:15 Uhr Moderation zum Streaming und den Austauschforen - Streaming aus dem Hauptraum, Winterer Foyer (öffentlich), Austauschforen (Breakout-Rooms, nicht öffentlich).
  1. Austauschforum
Heike Gronski: Berührungsängste in der Pflege am Beispiel von Menschen mit HIV – Ableitungen für Praxis und Lehre
  2. Austauschforum
Lothar Andrée: Queersensible Pflege – Praxiserfahrungen und Umsetzungsmöglichkeiten an ausgewählten Beispielen aus Altenhilfeeinrichtungen
  3. Austauschforum
Reingard Wagner: Wünsche und Ansprüche älterer und alter queerer Menschen an Wohnen und Pflege – wie kann ein vielfältiges Leben auch im Alter möglich sein?
18:30 - 19:15 Uhr Streaming-Programm mit Musik und szenischer Lesung:
Annette Winker, Fagott;
Theater Freiburg: Szenischer Lesung - „Auf Klingel“
Berufsalltag und Leben von Menschen in der Pflege
zeitgleich:
18:30 - 19:15 Uhr
Nichtöffentliche Austauschforen:
Die angemeldeten Teilnehmenden werden entsprechend ihrer Anmeldung in die jeweiligen Unterräume zu den drei Austauschforen online zugeteilt.
19:20 Uhr Abschluss-Plenum
Mitwirkende:
Heike Gronski, Deutsche Aidshilfe e.V.
Lothar Andrée, Arbeiterwohlfahrt (AWO) Bundesverband e. V.
Reingard Wagner, Lesben und Alter e. V. Hamburg
Boris Gourdial, Amtsleitung, Amt für Soziales und Senioren, Freiburg
Ulrike Hoffmeister, Checkpoint Aidshilfe Freiburg e. V.
Snežana Sever, Geschäftsstelle Gender & Diversity, Stadt Freiburg    
19:50 Uhr Danksagung und Ausklang mit Musik
Ulrike Hoffmeister, Checkpoint Aidshilfe Freiburg e.V.
Snežana Sever, Stadt Freiburg, Geschäftsstelle Gender & Diversity

Die Veranstaltung ist mit allen angebotenen Programminhalten kostenfrei. Das gestreamte Programm wird von Gebärdensprachdolmetscher_innen begleitet.
Bei Fragen können Sie uns gerne kontaktieren.

Vorträge und Referierende

Prof. Dr. habil. Thomas Klie, Evangelische Hochschule Freiburg, Rechts- und Verwaltungswissenschaften, Gerontologie FIVE e.V.; Institutsleitung AGP und zze

Diversität in der Pflege

„Wir Menschen sind anders.“ Dieser aus der Behindertenbewegung bekannte Satz gilt auch für die Pflege. Pflege ist im Kern Interaktionskunst in schwierigen, existentiell herausfordernden Lebenssituationen. Pflege zeichnet sich neben den professionellen Wissensbeständen durch Empathie, Mitschwingungsfähigkeit, einem konsequenten Personenbezug und Dialog- und Aushandlungsfähigkeit aus. Der Mensch als weltoffenes Wesen bringt eine Vielfalt an Prägungen, Orientierungen, Werthaltungen und kulturellen Einflüssen mit. Bei allen fachlichen und administrativen Normierungen: Die Akzeptanz von und Kompetenz im Umgang mit Diversität zeichnet professionelle Pflege und Institutionen aus.

Boris Gourdial
Leitung des Amtes für Soziales und Senioren

Kultur- und geschlechtssensible Pflege im Spannungsfeld zum Fachkräftemangel und der Corona Pandemie

Der Pflegebereich muss sich aktuell mit unterschiedlichen Themen auseinandersetzen. So gewinnt die kultursensible Pflege immer mehr an Bedeutung. Pflegekräfte und die zu pflegenden Personen haben vermehrt unterschiedliche kulturelle Hintergründe. Ein besseres Verstehen der eigenen und der anderen Kultur hilft im Umgang mit und bei der Betreuung von Menschen. Gilt dies auch für die neu aufkommende Frage im Bereich der geschlechtersensiblen Pflege? Kann dieses bedeutsame Thema in einer Zeit, in der ein Fachkräftemangel im Pflegebereich besteht und die neu eingeführte generalistische Pflegeausbildung eine Herausforderung darstellt, überhaupt Beachtung finden? Müssen weniger Pflegekräfte nicht immer mehr leisten und haben immer weniger Zeit für die Bedürfnisse ihrer Patient_innen? Welche zusätzlichen Auswirkungen hat die Corona Pandemie dabei? Diesen Fragen sollen auf dem Fachtag beleuchtet werden.

Heike Gronski
Fachreferentin Leben mit HIV, Deutsche Aidshilfe

Besondere Situationen und spezielle Bedürfnisse von älteren Menschen mit HIV im Bereich der Altenpflege

Statistisch gesehen haben immer mehr HIV-positive Menschen mit Pflegepersonen zu tun – und umgekehrt. Das liegt insbesondere an den verbesserten Therapiemöglichkeiten, wodurch Menschen mit HIV immer älter werden. Durch den zeitlich intensiven Kontakt zu ihren Patient_innen können Pflegende eine ganze Menge bewegen, was bspw. seelische Entlastung und Entstigmatisierung angeht. Leider machen viele Menschen mit HIV jedoch eine ganz andere Erfahrung. Obwohl eine Übertragung von HIV in der pflegerischen Tätigkeit bei Beachtung der allgemeinen Hygiene- und Arbeitssicherheitsregeln nahezu ausgeschlossen ist, haben immer noch viele Pflegende große Informationsdefizite und Berührungsängste im Umgang mit Menschen mit HIV. Fokusiert werden die besondere Situation und die speziellen Bedürfnisse von älteren Menschen mit HIV im Bereich der Altenpflege.

Dr. Ralf Lottmann
Vertretungsprofessur Gesundheitspolitik, Hochschule Magdeburg-Stendal (HAW), FB Soziale Arbeit, Gesundheit und Medien

Vorstellung des AWO-Praxishandbuch zur Öffnung der Altenhilfe-Einrichtungen für LSBTTIQ*

Zur Öffnung der Altenhilfe für LSBTTIQ*-Menschen werden aus dem Leitfaden des Praxishandbuchs der AWO die Instrumente für die Praxis vorgestellt. Nachgegangen wird der Frage, warum Bedarfe von LSBTTIQ*-Menschen in der offenen und stationären Altenhilfe thematisiert werden sollten. Parallel dazu soll aufgezeigt werden, welche Chancen es für die Altenhilfe und -pflege generell bieten kann, wenn Individualität und Lebensgeschichte von Menschen verschiedener Geschlechter, geschlechtlicher Identität und sexueller Orientierung stärker fokussiert werden.

Lothar Andrée
Projektleitung „Queer im Alter“ Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V

„Das Praxishandbuch zur Öffnung der Altenhilfe-Einrichtungen für LSBTIQ*: Entstehung – Erprobung – Erkenntnisse“

Das AWO-Praxishandbuch zur Öffnung der Altenhilfe-Einrichtungen für LSBTTIQ* -Menschen entstand im Rahmen des Modellprojekts „Queer im Alter“, um auf die Bedarfe von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans*, Inter* und queere Menschen aufmerksam zu machen. Das Projekt wurde im Zeitraum von März 2019 bis Februar 2021 vom Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e. V. durchgeführt und durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. LSBTTIQ*-Menschen waren bisher als Zielgruppe in den Konzepten und Angeboten der Altenhilfe kaum bis gar nicht bedacht. Das im Januar 2021 veröffentlichte Praxishandbuch schließt diese Lücke und wird einer breiten Fachöffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Im ersten Teil werden zunächst die soziale und historische Ausgangssituation sowie spezifische Bedarfe queerer Senior_innen und damit verbundene Maßnahmen für einen Öffnungsprozess der Altenhilfe dargestellt. Das hierauf aufbauende Fortbildungspaket mit Coaching-Konzept beinhaltet komplette Module mit Methodenanleitungen und Arbeitsunterlagen für die Fortbildung von Mitarbeitenden der Altenhilfe. Die Entwicklung des Handbuchs erfolgte in enger Abstimmung mit Leitungskräften und Mitarbeitenden der AWO-Altenhilfe-Modellstandorte sowie mit den bundesweiten Selbstvertretungsverbänden der queeren Communitys.

Reingard Wagner
Mitglied im Vorstand des Dachverbands Lesben und Alter e. V., Bereiche: Rente und Altersarmut

Altersarmut von lesbischen Frauen – warum sind sie besonders armutsgefährdet?

Da Renten in Deutschland sehr niedrig sind, ist es besonders für Frauen sehr schwierig, allein von ihrer eigenen Altersrente zu leben. Hohe Mieten und steigende Lebenshaltungskosten machen es vielen älteren allein lebenden Frauen schwer, ein gutes und würdevolles Leben im Alter zu genießen. Dies trifft besonders oft ältere lesbische Frauen, denn die Generation-65-Plus konnte bis in die 2000er Jahre keine gesetzlich anerkannte Partnerschaft eingehen und deshalb nicht von unserem Sozial- und Steuersystem profi tieren, das gesetzliche Partnerschaften besonders berücksichtigt. Sie waren seltener verheiratet und haben so keinen Anspruch auf eventuelle Witwenrenten. Deshalb ist diese Gruppe besonders oft von Altersarmut betroffen. Das Argument, dass lesbische Frauen im Schnitt seltener Kinder haben und deshalb eine gute berufl iche Karriere erreichen konnten, ist nicht überzeugend, denn sie mussten sich ihren Platz in der Arbeitswelt als Eigenernährerin erst erkämpfen und hatten oft weniger Zugang zu besser bezahlten Berufen. Und viele dieser Frauen sind diejenigen, die in den 70er bis 90er Jahren die Frauenbewegung angeschoben haben, die sich engagiert haben und dafür viel unbezahlte Arbeit leisteten. Auch die neue Grundrente hat diese Situation für viele nicht wesentlich verbessert. Die notwendigen Beitragsjahre sind oft ein Problem. Unser Renten- und Steuersystem ist nicht mehr zeitgemäß und lässt individuelle Lebensentwürfe unberücksichtigt. Das muss geändert werden.

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