REPETITIONS: Neal Byrne Jossen, Fabio Luks, Florian Thate

In der Ausstellung „Repetitions“ werden drei Künstler ihrem Zwang zur Wiederholung freien Lauf lassen. In jeweils anderen Medien werden sie vor Ort Kunstwerke entstehen lassen, die vom Modus der Wiederholung der anderen beeinflusst werden. Neal Byrne Jossen (*1985) zeichnet immer wieder die gleiche Struktur auf die Wand und dokumentiert dies mittels eines Videos. Mit unterschiedlichen Gegenständen attackiert Florian Thate (*1982) unablässig seine Bildträger, um spezifische Spuren herauszuarbeiten. Und Fabio Luks´ (*1982) Worte werden über die Wände des L6 mäandern und Textbilder ergeben, welche die repetierenden Bewegungen der anderen aufnehmen.

Foto: Jürgen Rösch
Foto: Jürgen Rösch
Foto: Jürgen Rösch

Die Ausstellung „Repetitions“ zeigt verschiedene Ausformungen und Prinzipien der
Wiederholung, die sich überlagern und sich im Zusammenspiel der einzelnen künstlerischen
Positionen gegenseitig spiegeln. Alle drei Künstler sehen dabei in repetierenden
Vorgängen ein Potenzial des Unvorhersehbaren, Zufälligen, was in die wiederholende
Struktur einbricht. Vielleicht nicht bei allen gleich, so ergibt sich gerade
aus den auferlegten Regeln der Wiederholung beim Prozess der Herstellung eines
Kunstwerks, also Regeln die gerade bei Florian Thate und Neal Byrne Jossen auf
der Kopie eines Ablaufs beruhen, das Gegenteil, die Differenz wird ein bedeutendes
Faktum der Wiederholung.
Vermutlich kennen viele schon die Arbeiten von Florian Thate, in denen er bis zur
körperlichen Erschöpfung einen Bewegungsablauf wiederholt. Wenn er Stahlplatten
stundenlang bespringt oder sie mit einer Hake bearbeitet. Oder wie man zur Regionale
im E-Werk sehen konnte, er sich vor Ort mögliche Zeichengeräte sucht - im
E-Werk eine Gabel - und er damit die zuvor aufgetragene Farbe abkratzt und damit
schroffe Spuren hinterlässt. Diese Arbeiten zeichnen sich alle durch einen zuvor
festgelegten Ablauf aus, der dann in wiederholender Form durchgeführt wird.
Ein aktuell wichtiger Werkstoff ist für Thate die weniger widerständige Hartschaumplatte.
Je nach Hersteller werden andere Einfärbungen verwendet, und auch die
Maße variieren dabei offensichtlich. Auch im Produktionsprozess scheint die Intensität
der Farbe nachzulassen. Nach diesen, dem künstlerischen Prozess vorgelagerten
Produktionsabläufen richtet sich Thates gestalterischer Spielraum. Die Bearbeitung
dieser Untergründe folgt dabei nicht mehr unbedingt der Regel der körperlichen
Erschöpfung. Aber auch hier sieht man die rasch in einem Zug wiederholten Bewegungen,
hier mit einer Spachtel, die bei der Renovierung der vorangegangenen Ausstellung
liegen blieb. In einem Schwung, rhythmisiert schabt er die Platten an. Durch
die Wiederholung und dadurch Massierung einer Geste ergibt sich ein Muster mit
energiegeladener Bewegung.
Anders die weißen Platten, die er mit schwarzem Spezialkleber verbunden hat. Auch
hier: Das Industrieausgangsprodukt bestimmt sehr stark den gestalterischer Spielraum.
Die selben Platten hatte er ähnlich zu der Arbeit „Spachtel“ im Kunstverein
bei „Initial“ gezeigt, also an der Wand verschraubt. Hier nun klebt er sie zusammen,
rhythmisiert sie anders und betont die Randlinien, so dass der Kleber zum zeichnerischen
Lineament wird. Die gleichen Platten, andere Präsentation. Die gezielt
herbeigeführte Differenz in der Wiederholung. Gleichzeitig werden die ungenutzten
Löcher der ursprünglichen Befestigung zu archäologischen wie ästhetischen Spuren
und wirken dann wie industriell vorgefertigt, da die Unterlegscheibe genormte Pressungen verursacht. Elemente seiner neuen Arbeiten stellt er immer wieder
aus, verändert sie dadurch und schreibt ihnen damit nicht nur Spuren seiner Bearbeitung
des Materials ein, sondern auch Spuren der jeweiligen Ausstellungen. Im
Kunstraum Foth kann man ab dem 20. Mai eine Ausstellung mit verwandten und
dennoch gänzlich anderen Arbeiten in einer Einzelausstellung sehen.
Neal Byrne Jossen nimmt mit seiner Animation direkten Bezug zu eingangs erwähnten
Arbeiten von Florian Thate. Jossen arbeitet schon eine ganze Weile mit Animation.
Für dieses Video hat er sich jedoch eine ähnliche Handlungsanweisung gegeben
wie Thate. Er wollte so lange einen Strich wiederholen, bis sein Körper eine Unterbrechung
einfordert. Das Hanggelenk schlapp macht oder die Toilette aufgesucht
werden muss. Ausgangspunkt ist ein Leuchttisch, auf dem er auf ein Blatt Papier
einen Strich zeichnet. Dieser wird auf einem zweiten Blatt, das darüber gelegt wird
kopiert. Das erste Blatt wird entfernt und auf dem dritten Blatt wird die Linie des
zweiten kopiert. Am Ende zeichnete er mehrere Stunden und über 700 Blatt und wie
man im Film sehen kann, macht nicht der menschliche Körper schlapp, sondern der
Stift, der nur noch eine blasse Linie zeichnet. Die sich poetisch dahin schlängelnde
Linie ist also das Ergebnis von Abweichungen/Fehlern beim Kopierprozess. Durch
die Hintereinanderschaltung der einzelnen Zeichnungen die minimale Verschiebungen
der Linie beinhalten, wird die Linie bewegt – ein starrer und mühsamer Kopiervorgang
einer Linie ist kaum mehr damit in Verbindung zu bringen.
Auch bei der Wandarbeit von Josse scheint das bewegte Bild wichtiger Bezugsrahmen
zu sein. Es verdichten sich digitale Figuren nach oben hin. Wie ein Still das
eine eingefrorene Bewegung zeigt. Erzeugt durch sich wiederholenden ähnlichen
Strukturen. Gruppen, bestehend aus vier oder fünf Balken in unterschiedlicher Länge,
bevölkern die Wand, neben jedem Balken rechts ein schmalerer roter. Auch hier
schweben wie in seinen filigranen Zeichnungen geometrische Strukturen im luftleeren
Animationsraum. Malerei hat Josse schon lange nicht mehr gemacht. Aber
hier im L6 trieb es ihn dazu direkt auf die Wand zu malen, bzw. zu Zeichnen. Auch
hier: die Standard-Rollen bestimmen die Breite der Balken und werden eher wie die
Stifte seiner Zeichnungen benutzt. Nicht übereinander geschichtete Pinselstriche,
sondern gerade „Linien“. Beim Betrachten der Arbeit lässt die frappierende Wirkung
nicht nach sich in einem Computerspiel zu befinden, das anachronistischer Weise
gemalt ist. Gleichzeitig vorwärts- und rückwärtsgewandt, wippend zwischen Vergangenheit
und Zukunft.
Fabio Luks nimmt hier eine Zwischenposition ein, er scheint nicht ausschließlich
als Künstler zu agieren, sondern nimmt die anderen Arbeiten mit auf und reflektiert
diese. Ein Chronist von Thate und Jossen und auch seiner selbst. Kritiker, Kommentator
und Dialogpartner. Wenn er beispielsweise den Sisyphus-Mythos anspricht,
dann ist ein direkter Bezug zu den unermüdlichen Wiederholungsmustern der beiden
anderen nicht zu übersehen. Was aber übersehen werden könnte ist, dass Luks
sich in der Erstellung dieser Arbeit selbst etwas wie Sisyphus vorkam. Er hat mit einer Leiter oben links angefangen zu schreiben. Wie immer gibt es bei Luks keinen
vorgefertigten Text, den er dann an die Wand bringt. Sondern der Inhalt entwickelt
sich beim Schreiben. Hier nun im L6 musste er, nur eine Leiter zur Verfügung, Wort
für Wort die Leiter rauf und runter, wieder verschieben, rauf und runter, so dass hier
also sein Schreibprozess doch sehr mühsam und nahezu unendlich schien. Ob er
sich dann Camus folgend dabei glücklich gefühlt hat sei dahingestellt.
Gleichzeitig ergibt sich aus diesem verzögerten Ablauf viel Zeit, das zu Sagende
abzuwandeln. Sätze werden am Anfang anders zu Ende gedacht als diese dann am
Ende geschrieben stehen. Und auch der Leser hat durchaus Probleme die Wand
ablaufend, den textlichen Zusammenhang ständig präsent zu erhalten. Erschwert
natürlich durch die nachträglich in die Fensternischen gestellten Textfragmente, die
dann als Leerstellen zurück bleiben und der in großen Pinselstrichen über die blaue
Schrift gelegten Textebene. Aber man muss, wenngleich es zu empfehlen ist, auch
nicht den gesamten Text lesen. Es kommen einem genug Stichwörter entgegen.
Auf den Leinwänden etwa „immer wieder“ oder „Camu“ oder an der Wand „mit jedem
Mal“, „Wiederholung“, „ein neuer Anfang“, „jedes mal anders“, „immer und
immer wieder“ oder auch „ein Lied davon singen“. Allein durch diese herausgegriffenen
Fragmente erschließt sich ein variantenreicher Zugang zum Thema der Ausstellung
„Repetitions“
Luks´ Schreibstil ist interessiert an einem Austausch mit seinem Publikum, das
ständig mitgedacht bzw. direkt adressiert wird, dem mögliche Fragen in den Mund
gelegt werden, die er dann beantwortet oder übergeht. Das Lesen wird bei ihm zum
schreitenden Akt, ein hinausgezögertes Entziffern, das immer wieder zwischen bildlicher
und schriftlicher Wirkung hin und her flattert. Die gelb, rot, grün umrandeten
Leerstellen sind genauso Zensurbalken wie sie die Möglichkeit geben, diese selbst
mit Inhalt zu füllen.
Wichtig ist bei Fabio Luks zudem das Einlassen auf die vorhandene Architektur. Er
bespielt die komplette Nordwand und passt die Leinwände in die Fensternischen
ein. Die Architektur wird damit Teil der Kunst und umgekehrt.
Für die Garage haben die drei Adrian Eiserlo eingeladen. Mit seiner Installation versetzt
er die Garage in den Weltraum. Innen ein Satellit bzw. Raumschiff und in der
Ferne ein auftauchender Planet. Dabei kippt das Unendliche in der spiegelnden Befragung
zurück zum eigenen Standpunkt, nicht mehr die unendliche Weite, sondern
die fragmentierte Selbstdarstellung.