Pressemitteilung vom 7. August 2023

Der Jugendberufsagentur Freiburg droht der Kahlschlag durch Einsparvorgabe des Bundesfinanzministers

  • Gegen geplante Umstrukturierungen bei jungen Menschen im Bürgergeldbezug: EBM Ulrich von Kirchbach lehnt Pläne der Bundesregierung ab
  • Mehr statt weniger Bürokratie, Aushöhlung der bewährten Jobcenter, lebenslange Nachteile für Menschen unter 25 Jahren durch schlechtere Betreuung
  • Auch Freiburg kritisiert die Pläne des Bundes scharf

Mit einem eindringlichen Appell wendet sich Ulrich von Kirchbach, Erster Bürgermeister in Freiburg, gegen Pläne der Bundesregierung, die Betreuung junger Menschen unter 25 Jahren, die Bürgergeld beziehen, ab dem Jahr 2025 umzustrukturieren. In einem Schreiben an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) fordert von Kirchbach, „für eine sachgerechte Finanzmittelausstattung der Jobcenter zum Wohle der sozialen Sicherung und Arbeitsintegration zu sorgen und den angedachten Systemwechsel, der jungen Menschen in prekären Lebenslagen eine komplexere Versorgung und Betreuung zumutet, unter keinen Umständen“ durchzuführen.

In einem Schreiben an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) fordert von Kirchbach, „für eine sachgerechte Finanzmittelausstattung der Jobcenter zum Wohle der sozialen Sicherung und Arbeitsintegration zu sorgen und den angedachten Systemwechsel, der jungen Menschen in prekären Lebenslagen eine komplexere Versorgung und Betreuung zumutet, unter keinen Umständen“ durchzuführen.

In seiner Kritik an den geplanten Umstrukturierungen und am Umgang mit jungen Menschen im Bürgergeldbezug steht Freiburgs EBM nicht alleine. Deutliche Worte gegen die Berliner Pläne fanden bereits der Städtetag Baden-Württemberg, der Landkreistag Baden-Württemberg, das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg, der Deutsche Landkreistag, der Deutsche Städtetag und die Sozialministerkonferenz aller Bundesländer. Auch viele weitere kommunale Fachleute bundesweit laufen gegen die geplante Neuregelung bei der Arbeitsförderung junger Menschen Sturm.
 

Erst kurz vor der Sommerpause war bekannt geworden, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales junge Menschen unter 25 Jahren, die Bürgergeld beziehen, ab 2025 nicht mehr von den Job-centern vor Ort betreuen lassen will, sondern alleine von der Agentur für Arbeit. Grund dafür sind massive Einsparvorgaben von Bundesfinanzminister Christian Lindner.

Kritiker befürchten nun, dass der Bund hier bewährte und engagierte kommunale Strukturen aus rein finanziellen Gründen gefährde. Bisher betreuen die Jobcenter die gesamte Bedarfsgemeinschaft auf lokaler Ebene und können so ganzheitlich auf Problemlagen auch der gesamten Familie eingehen. Eine Neuregelung werde zu einer schlechteren Betreuung der jungen Menschen und in der Folge zu lebenslangen Nachteilen führen.

Es gibt sechs wesentliche Kritikpunkte aus den Kommunen, auch von EBM von Kirchbach.

  • Die ganzheitliche Betreuung der Bedarfsgemeinschaften und Familien durch das Jobcenter würde abrupt beendet und dadurch die örtliche Zusammenarbeit zwischen Jobcenter und Kommune, etwa bei der Förderung schwer erreichbarer junger Menschen, gefährdet.
  • Gerade für junge Menschen mit spezifischem Unterstützungsbedarf (Wohnungslose, Schulverweigerer, junge Menschen mit psychischen Belastungen, junge Mütter usw.) wirke sich das negativ aus.
  • Dabei verdienten diese Menschen besonders jetzt, in Zeiten erhöhter psychischer Belastungen aufgrund der Corona-Pandemie, eine umfassende Beratung und Betreuung, wie sie die Jobcenter zusammen mit den Kommunen seit Jahren erfolgreich leisten.
  • Die Umstrukturierung könne zu pauschalen Angeboten der Arbeitsagenturen führen, anstatt einer individuellen Förderung, die die besonderen Bedarfe der Jugendlichen berücksichtigt.
  • Außerdem bewirke die Umstrukturierung einen Rückzug auf bloße Berufsberatung statt eines ganzheitlichen Ansatzes – und schaffe mehr statt weniger Bürokratie, weil zusätzliche Schnittstellen geschaffen würden.
  • Abschließend untergrabe eine bundesweit einheitliche Unterstützungsstruktur die Arbeitsmarktstrategien der Kommunen, die auf lokale Herausforderungen abgestimmt seien.

Auch der Städtetag Baden-Württemberg wendet sich entschieden gegen die Pläne der Bundesregierung und fordert ein Überdenken der Entscheidung und einen Dialog mit den kommunalen Akteuren. „Nur durch eine konstruktive Zusammenarbeit kann eine bestmögliche Betreuung und Förderung junger Menschen sichergestellt werden. Die Bedürfnisse und Herausforderungen vor Ort dürfen dabei nicht vernachlässigt werden“, sagte Ralf Broß. Der Städtetag BW sei bereit, sich aktiv in den Dialog einzubringen, um eine sinnvolle Lösung für die jungen Menschen zu finden.

In seinem Schreiben an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil unterstreicht EBM Ulrich von Kirchbach: „Die große sozialpolitische Bürgergeldreform begrüßen wir ausdrücklich, auch wenn sie derzeit in den Jobcentern viele Ressourcen bindet und die Mitarbeitenden an ihre Grenzen bringt. Die Herausnahme des Personenkreises der jungen Menschen aus dem SGB II würde aber die absolut sinnvolle ganzheitliche Betreuung der Bedarfsgemeinschaften und der Fa-milien durch unser Jobcenter abrupt beenden. Es kann nicht sein, dass Sparvorhaben besonders belastete jungen Menschen treffen – und dies in einer Zeit, in der ihre psychischen Belastungen extrem zugenommen haben.“

Das Jobcenter Freiburg ist, wie die meisten Jobcenter, in vielfältiger Art und Weise vor Ort eng vernetzt. Die intensive und vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Jugendberufsagentur Freiburg „Jubag25“ als gemeinsame Anlaufstelle mit kurzen Wegen, einem gemeinsamen Berichtswesen und vielfältiger Gremienstruktur ist nicht zuletzt durch die Jugendagentur des Jobcenters möglich geworden. Sie lebt einen intensiven Austausch und stete Weiterentwicklung zum Wohle der jungen Menschen. Gerade hatte die Jugendberufsagentur Freiburg in einem aufwändigen Prozess unter Federführung des lokalen Jobcenters den Empfangsbereich hin zu einer ganzheitlichen Willkommenskultur für jungen Menschen neu konzipiert und wollte mit den Umbaumaßnahmen beginnen.

Kirchbach erinnert die Bundesregierung daran, dass die Betreuung von jungen Menschen in prekären Lebenslagen oder mit besonderen Belastungen eine sehr kleinschrittige und aufsuchende Arbeit sei, die nur in enger Kooperation mit den Partnern vor Ort erfolgen könne. Er beendet seinen Appell mit dem Satz: „Wenn es unumgänglich ist, Teile der Bürgergeldbezieherinnen und -bezieher aus dem SGB II auszulagern, lassen Sie bitte nicht ausgerechnet die belasteten jungen Menschen die Leidtragenden sein, die mit den psychischen Folgen der Coronakrise noch hart zu kämpfen haben, während sie die Weichen für ihr künftiges Leben stellen sollen.“

Veröffentlicht am 07. August 2023