Versorgung & Verteilung junger Geflüchteter

Städte und Landkreise fordern Unterstützung vom Land

Mehrere Feldbetten in einer Turnhalle mit Abgrenzungen dazwischen
Die Notschlafstelle in der Turnhalle der Max-Weber-Schule. (Foto: Seeger/Stadt Freiburg)

Weiterhin kommen sehr viele junge Geflüchtete (unbegleitete minderjährige Ausländer = UMA) in Freiburg an. Die Notschlafstelle in der Turnhalle der Max-Weber-Schule ist mittlerweile mit 38 Jugendlichen belegt. Auch in anderen Stadt- und Landkreisen sind die Zugangszahlen seit Ende Juli und insbesondere seit Anfang August stark angestiegen. Mehrere Kommunen mussten bereits auf Schulturnhallen und teilweise auf Zelte ausweichen.

Freiburg und auch andere Kommunen im süddeutschen Raum sind damit weit über die jeweiligen Kapazitätsgrenzen hinaus belastet. In einem gemeinsamen Schreiben haben sich die Städte Freiburg, Karlsruhe und Mannheim sowie die Landkreise Breisgau-Hochschwarzwald, Konstanz, Lörrach und der Ortenaukreis deshalb in dieser Woche an den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann gewandt.
 

Wir brauchen dringend eine wirksame Unterstützung aus Stuttgart. Nicht nur das Jugendamt der Stadt Freiburg, sondern alle unterzeichnenden Städte und Landkreise stehen insbesondere seit Ende Juli erneut unter massivem Druck und gelangen dabei an die Grenzen des Machbaren. Das gemeinsame Schreiben ist ein Hilferuf an die Landesregierung. Dabei geht es uns weniger um Aufmerksamkeit, sondern um eine schnelle Unterstützung.

Oberbürgermeister Martin Horn

Seit Wochen steigende Zugangszahlen

Die seit Wochen steigenden Zugangszahlen zeigen die angespannte Situation deutlich: Freiburg hatte im Juli 68 Zugänge; das war der zweithöchste Wert seit Beginn der statistischen Erfassung 2014. Im August waren es schon 164 Zugänge – der höchste Zugangswert, den Freiburg jemals in einem einzelnen Monat zu verzeichnen hatte. In den anderen unterzeichnenden Stadt- und Landkreisen ist die Lage vergleichbar. Besonders die Jugendämter mit direkten Zugangswegen (in Südbaden weiterhin hauptsächlich über die Schweiz) sind hoch belastet: Nicht nur, weil sie stetig neue Notplätze schaffen müssen, sondern vor allem, weil viele weitere Schritte folgen: Alterseinschätzungen, Gesundheitsprüfungen und Verteilmanagement.

Unterstützung des Landes ist aktuell völlig unzureichend

Eine Arbeitsgruppe des Landes „UMA-Clearing“ hatte am 5. September acht Vorschläge in einem Ergebnispapier vorgestellt, um den zwischen dem Sozialministerium, dem Städtetag und dem Landkreistag vereinbarten „Fünf-Punkte-Plan“ umzusetzen. Dazu beziehen die Stadt Freiburg und die anderen unterzeichnenden Kommunen und Landkreise in dem Schreiben Stellung.

Die vier Landkreise und drei Städte bewerten die Unterstützung des Landes aktuell als völlig unzureichend. Auch die acht Vorschläge des Arbeitspapiers des Landes erweisen sich als nicht zielführend.

Die wesentlichen Inhalte des Brandbriefs:

  • Wahrung der Übernahmefrist: Mit dem Ergebnispapier des Landes sollten die aufnehmenden Jugendämter verpflichtet werden, binnen zehn Werktagen die ihnen vom Landesjugendamt zugewiesenen UMA tatsächlich aufzunehmen. Das wäre eine Entlastung gewesen. Dadurch, dass jedoch zeitgleich die bundesweite Verteilung eingeführt wurde, ist diese Empfehlung wirkungslos, denn bundesweit greift sie nicht. Dennoch: Die bundesweite Verteilung birgt die Chance, die gesamte Jugendhilfelandschaft in Baden-Württemberg zu entlasten.
  • Dezentralisierung der Altersfeststellung: Aktuell sind mehr als zwei Drittel der eintreffenden UMA schon vom Augenschein zweifelsfrei minderjährig. In dem meisten Fällen ist damit eine medizinische Altersfeststellung überflüssig und auch vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Ein weiterer Standort zur medizinischen Altersfeststellung in Freiburg führt daher nur zu wenig Entlastung vor Ort. Der deutlich höhere Aufwand einer medizinischen Altersfeststellung für beispielsweise die Landkreise Ortenaukreis, Lörrach und den Stadtkreis Freiburg würde zu einer extrem hohen Terminlast und langen Wartezeiten führen.
  • Vereinfachung der Verfahren: Derzeit sind alle Jugendlichen, die in Freiburg in die Obhut des Jugendamts übergeben werden, lückenlos erkennungsdienstlich von der Polizei behandelt (ED-Behandlung). Wenn die jungen Menschen an ein anderes Jugendamt im Land umverteilt werden, erfolgt dort nochmals eine ED-Behandlung. Auch im Ergebnispapier des Landes findet sich der Vorschlag, die erkennungsdienstliche Behandlung nur noch einmalig durchzuführen. Das wäre eine Erleichterung für die Kommunen. Jedoch wird aus dem Ergebnispapier nicht ersichtlich, wann hier mit einer Umsetzung zu rechnen ist. Weshalb die Ausländerämter bisher weiterhin auf einer erneuten ED-Behandlung bestehen, erschließt sich nicht.
  • Nachhaltige Sicherung von Strukturen zur Versorgung und Betreuung von UMA: Das Land hat die Jugendämter erheblich entlastet und unterstützt, indem es die Möglichkeit einer legalen Notunterbringung geschaffen hat. Das begrüßen die unterzeichnenden Stadt- und Landkreise ausdrücklich. Die stetige Ausweitung von Notunterbringung birgt jedoch das Risiko, dass bewährte Standards der Jugendhilfe verloren gehen. Landesregierung wie Kommunen sind aufrichtig bemüht, der Jugendhilfe angemessene Regelplätze stetig auszuweiten, stehen angesichts des Fachkräftemangels und der sprunghaft angestiegenen Zugangszahlen aber vor beinahe unlösbaren Problemen.
  • Ungeklärte Kostenübernahme: Die Landesregierung lässt die Kommunen mit ihren stark gestiegenen Verwaltungskosten alleine. Hinzu kommt, dass die Kommunen mit hohen Millionenbeträgen mehrjährig in Vorleistung treten müssen. Gefordert wird daher: eine pauschalierte Kostenübernahme sämtlicher Kosten der Notfallunterbringungen sowie die vollständige Übernahme der Personal- und Verwaltungskosten im Kontext der UMA-Notfallunterbringung.
  • Verteilmanagement: Die Unterzeichnenden fordern dringlich, dass die Landesbehörde das Verteilmanagement der UMA zentral übernimmt. Dabei geht es nicht nur um den Transport, sondern auch um die Terminkoordination.
  • Freiwillige Aufnahme von UMA: Sogenannte aufnehmende Jugendämter der Stadt- und Landkreise sollen die Möglichkeit erhalten, trotz angeordneter bundesweiter Verteilung UMA freiwillig aufzunehmen. Das ist wichtig für die Träger, da diese in Erwartung von landesinternen Zuweisungen bereits Strukturen aufgebaut haben.
  • Bilaterale Verhandlungen: Gegenwärtige Praxis der Schweiz ist es, Migranten und Migrantinnen ungehindert das Land passieren zu lassen, beziehungsweise deren Transit sogar noch zu unterstützen. Um dies zu unterbinden, soll es Verhandlungen mit der Schweiz geben.

Zusammenfassend: Die unterzeichnenden Städte und Landkreise bitten das Land dringend um Unterstützung. Ohne diese kann auf Dauer keine rechtmäßige Notunterbringung der UMA gewährleistet werden.

Veröffentlicht am 27. September 2023