Im Raum meiner Imagination.

„Julius Bissier und Ostasien. Im Raum meiner Imagination.“ eröffnete am 18. Mai, knapp einen Monat nach YOUR NORTH IS MY SOUTH, in der Ausstellungshalle des Augustinermuseums.

Über das Jahr hinweg durfte ich an beiden Projekten mitarbeiten- eine schöne, und zuweilen auch stressige Erfahrung. Es fiel mir nicht immer leicht. Wie findet man die Balance, wie setzt man Prioritäten, wann ist es in Ordnung einfach mal Nein zu sagen? Einer ewigen Ja – Sagerin wie ich es bin, war das oft eine große Hürde.
 
Ich kann nicht sagen, dass ich diese Hürde überwunden habe. Meistens habe ich mich daran vorbeigewurschtelt. Doch jetzt weiß ich zumindest, worauf ich in der Zukunft achten soll. Das Wichtigste ist: Trotz des Stresses, der manchmal wegen der sich überschneidenden Projekte aufgekommen ist, bin ich unheimlich froh, dass ich bei beiden in irgendeiner Art und Weise beteiligt war. Da meine Aufgaben für die einzelnen Ausstellungen sich stark unterschieden haben, waren meine Aufgabenbereiche und die Inhalte, die ich aufschnappen konnte, umso
vielfältiger und interessanter.
 
Jetzt aber zur Ausstellung:
 
Eine meiner ersten Berührungspunkte mit der Bissier- Ausstellung war eine anfängliche Besprechung zur Ausstellungsgestaltung im November 2017, bei der ich das Protokoll führen sollte. Das war das erste Mal, dass ich bei irgendetwas protokolliert habe und ich hatte keine Ahnung, was ich da überhaupt mache. In der Schule habe ich mir im Unterricht auch das winzigste Detail aufgeschrieben, weil ich immer dachte, dass es vielleicht irgendwann mal von Bedeutung sein könnte. In einer Besprechung, die von 9 – 15 Uhr gehen sollte, war das dann doch keine so brilliante Idee. Irgendwie bekam ich es dann doch hin und hatte auch Spaß dran. Da ich bei diesem ersten Treffen dabei war, konnte ich die ganze Entwicklung des Designs miterleben: Von der Präsentation des Projekts von Seiten der Kuratoren, zum ersten Entwurf der Gestalter bis hin zum finalen Produkt, das jetzt in der Ausstellungshalle zu sehen ist.
 
In die Produktion des Katalogs habe ich auch einen Einblick bekommen. Da mich die Arbeit eines Lektors schon immer interessiert hatte, war es schön, so mehr über das Management und Lektorat zu lernen. Meinen Teil zum Katalog beitragen durfte ich auch, so klein er vielleicht auch war: Listen ohne Ende hieß es für mich nämlich. Objektlisten, Excel- und Wordlisten, erstellen, vergleichen, hinzufügen und auf den neuesten Stand bringen. Nach einer halben Stunde des Starrens verrutscht man zu gerne in der Zeile oder vertippt sich auch mal beim Eintragen von aktuellen Rahmenmaßen. Sorgfältig arbeiten war wichtig: Das Dreifachchecken ist mein bester Freund geworden. Neben den Listen habe ich Bilddateien sortiert, eingefügt, umbenannt und verkleinert. Dem einen oder anderen mögen diese Aufgaben vielleicht banal oder langweilig erscheinen, mir hat es aber immer viel Spaß bereitet. Ich persönlich brauche dieses ruhige, sorgfältige Arbeiten ab und zu. Es ist eine gute Abwechslung zu den oft hektischeren organisatorischen Tätigkeiten. Die Mischung macht’s, würde ich sagen. Und meinen Namen dann im Mai im Impressum des Katalogs zu sehen, war natürlich ein tolles Gefühl.

Am interessantesten war es für mich jedoch, dass ich im Herbst damit beginnen durfte, ein Transkript des Tagebuchs des Kunsthistorikers und Ethnologen Ernst Grosse zu erstellen, mit dem Julius Bissier für einige Jahre in engem Kontakt stand. Zur Recherche wurde eine Kopie des Tagebuchs erstellt, die ich bekam und längerfristig vollständig transkribieren sollte. So hat das leider nicht ganz geklappt. Ich habe zwar ein ganzes Stück abgetippt, bin aber nie weiter als vielleicht bis zur Hälfte gekommen, da mir irgendwann die Zeit fehlte. Es war wirklich aufwendig und allzu lange konnte ich nie an einem Stück dran sitzen: Die ältere Handschrift zu entziffern hat mich ziemlich viel Zeit und Energie gekostet. Man wird aber besser! Im Dezember gehörte es zu meinen Lieblingsaufgaben. Als es kurz vor Weihnachten ein wenig ruhiger im Büro wurde, habe ich mir öfters auch mal länger Zeit genommen und mich an das Transkript gesetzt. Mit einer Tasse Tee ist das im Winter eine fast schon gemütliche Aufgabe, weil ich fast schon in die Welt abtauchen konnte, die Ernst Grosses Alltag war und die er in seinem Tagebuch recht detailliert beschreibt.

Ein paar Monate vorspulen: Schon ist es Mai und ich sitze in der Ausstellungshalle des Augustinermuseums. Um mich herum wird geredet, diskutiert, hantiert und gewerkelt. Ich sitze mit einem Stapel Papiere an einem Tisch und kontrolliere, ob alle Dateien für die Wandschilder da sind. Komischerweise kann ich mich trotz des Lärms gut konzentrieren. Ist es, weil kein Telefon klingelt? Weil die verschiedensten Hintergrundgeräusche sich zu einem monotonen Surren vermischen, das ganz gut als „white noise“ funktioniert? Weil ich kein Handynetz habe und ich nicht bei jeder neuen Benachrichtigung zusammenzucke? Vielleicht eine Mischung. Jedenfalls habe ich gelernt, dass ich in der Halle ganz gut arbeiten kann. Falls sich jemand mal nicht auf seine Arbeit konzentrieren kann, hab ich also einen Tipp…

Ich spule weiter vor, an einer gelungen Eröffnung und meinem darauffolgenden schönen Urlaub vorbei. Es ist Juni und die Freiburger Künstlerin Olena Lytvynenko hat sich für ihre Performance namens „Box of Poetry“ in der Leseecke der Bissier – Ausstellung eingerichtet. Ein bisschen gehetzt und ein paar Minuten zu spät komme ich an. Am Tisch, an dem Besucher sonst wie Julius Bissier es auch getan hatte, das Orakel befragen können, saß sie, vor sich ein Stapel an weißen Papieren und ein Knäuel an schwarzen Fäden. Ein paar Leute haben auf der anderen Seite des Tisches Platz genommen. Es war ruhig in der Ausstellung. Olena Lytvynenko sprach in ruhiger Stimme über ihre Pläne für die kommende Stunde. Auf den Blättern standen Gedichte: japanische Gedichte , Gedichte von Julius Bissier, einige auch von Lytvynenko selber. Die Gedichte schreibt sie mit Tusche ab. Immer ein Zuschauer durfte sich acht dieser beschriebenen Papiere aussuchen, jedoch ohne zu lesen was auf ihnen steht. Man sollte einfach instinktiv aussuchen. “Ich werde dann daraus eine kleine Box falten.”- eine Box of Poetry, also. Jetzt habe ich auch den Namen der Veranstaltung verstanden. Der erste Besucher setzt sich ihr gegenüber und zieht acht Blätter aus dem Stapel. Sie nimmt diese und beginnt zu falten. Währenddessen wurde erzählt: wie sie ihren Weg zur Kalligraphie gefunden hat, von japanischer Poesie, deren Bedeutung in ihrem Leben. Sie redete über ihren Arbeitsprozess, wieso sie Gedichte mit Tusche abschreibt, wann und wo und wie sie diese Tätigkeit angeht. Von Fragen und Antworten zur japanischen Dichtkunst und deren Übersetzungen zu Anekdoten über die Reaktionen ihrer Kinder. Das Thema war weit und man hat ihr gerne zugehört. Sie faltete und faltete mit flinken Fingern, ich habe wie hypnotisiert dabei zugeguckt, und zügig entstand aus den hell weißen Origami – Papieren eine hübsche  kleine Schachtel. Ein schwarzer Faden wird darum gebunden. Fertig. Eine kleine Geschenkbox. Ihre Freunde wünschen sich diese Boxen zum Weiterverschenken, sagte sie. Es war ruhig. Ich war ruhig. Das Zuschauen und Zuhören war total entspannend. Das gedämpfte Licht in der Ausstellungshalle hat auch noch zur Atmosphäre beigetragen. Und bevor ich mich fragen konnte, was jetzt eigentlich die Performance war, habe ich gemerkt: Das ist es. Das Zusammensitzen, das Reden, Hören, das Nachdenken über die Themen, die sie anspricht. Die Kontemplation. Es war keine große Runde, in der wir da saßen, deswegen fühlte sich alles sehr familiär an. Ab und zu stellt jemand eine Frage. Seltsamerweise hatte ich das Gefühl zu wissen, wie der Rest der  Gruppe sich fühlte. Olena Lytvynenko überzog, um eine halbe Stunde sogar, aber das fällt kaum auf. Eine Frau sagte: „Ich könnte Ihnen stundenlang dabei zuschauen“. Innerlich stimmte ich ihr zu. Am Ende bekam ich auch noch eine Box. Vorher hatte Frau Lytvynenko darüber geredet, wann Menschen die Box entfalten um die Gedichte zu lesen, die auf den Blättern abgeschrieben wurden. Manche, meinte sie, öffnen es sofort oder schon ein paar Stunden nach dem sie es bekommen haben. Andere warten auf einen besonderen Moment oder Tag. Alles sei in Ordnung. Sie habe da keine Erwartungen. Es komme da einfach auf die Person und deren Umgangsweise mit solchen Dingen an.

Ich habe mich dafür entschieden, meine Gedichte am Morgen meines letzten Arbeitstages am Museum zu öffnen. Etwas, das mich hinaus und hineinbegleitet, von meinem Jahr im Museum in den nächsten Abschnittmeines Lebens. Empfand ich für mich als einen schönen Gedanken. Und ich bin schon gespannt, was dabei herauskommt. Vielleicht wird es mich ja inspirieren, motivieren oder berühren. Zum Denken anregen auf jeden Fall.

Lena

Veröffentlicht am 10.08.2018

Öffnungszeiten

Dienstag–Sonntag, 10–17 Uhr
Donnerstag, 10–19 Uhr

Eintrittspreise

3 Euro

Eintritt frei für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene unter 27 Jahren sowie mit Museums-PASS-Musées

Tickets

vor Ort oder online buchen

Kontakt

Museum für Neue Kunst

Marienstraße 10a
79098 Freiburg im Breisgau
Tel.: +49 761 201-2583
mnk@stadt.freiburg.de
Ansprechpersonen

Für den Zugang und den Fahrstuhl wird eine Assistenz benötigt, nicht aber für das WC