Kompakte Vielfalt in grünen Strukturen

Die sechs Zukunftsszenarien, die im Rahmen des Prozesses entwickelt wurden, bilden eine große Bandbreite unterschiedlicher zukünftiger Entwicklungsmöglichkeiten ab. Und sie zeigen uns Chancen und Risiken, die mit unterschiedlichen Entwicklungsmöglichkeiten verbunden sein können. Das Zielszenario führt die für Freiburg zutreffenden Elemente der einzelnen Szenarien zu einem stimmigen Gesamtbild zusammen und entwirft eine "zukunftsrobuste" strategische Option für Freiburg und den FNP 2040.

Das Zielszenario ist nicht das "beliebteste" der sechs Szenarien. Es baut auf den Erkenntnissen aus der Bürger_innenbeteiligung zu den sechs Zukunftsszenarien, dem Abgleich mit den vorhandenen Freiburger Zielen aus zahlreichen städtischen Konzepten sowie einer abschließenden Stärken-, Schwächen, Chancen und Risiken-Analyse (SWOT-Analyse*) auf.

kompakt & grün

gemischt & vielfältig

nachhaltigkeit & resilient

gemeinwohlorientiert

Strategische Grundausrichtung des Zielszenarios

Aus dem Zielszenario für Freiburg für das Jahr 2040 lassen sich die nachfolgenden Kernaussagen ableiten. Sie dienen als strategische Grundausrichtung für die Ausgestaltung des FNP 2040 mit integriertem LP. In den darauffolgenden Kapiteln werden für die einzelnen Stadtfunktionen Wohnen, Gewerbe, Natur- und Erholung, Land- und Forstwirtschaft, Ver- und Entsorgung, Soziale Infrastruktur, Handel sowie Mobilität die Kernmerkmale des Zielszenarios dargestellt.

Dabei werden neben der Beschreibung der möglichen Entwicklungen ebenso potenzielle Konflikte und Herausforderungen aufgeführt. Um die beschriebenen positiven Entwicklungen zu fördern sowie die negativen Auswirkungen zu verhindern oder abzuschwächen, werden allgemeine Handlungsansätze sowie für die vorbereitende Bauleitplanung (FNP) erste spezifische Ansätze aufgelistet.

Beispielhafte Projekte aus Freiburg zeigen abschließend, dass innovative und zukunftsweisende Maßnahmen und Ideen bereits heute in Freiburg vorhanden sind (Good-Practice) und zur Lebensqualität in Freiburg beitragen. Die nachfolgenden Kernaussagen bilden gemeinsam mit den Rahmenparametern die Grundlage für das Zielszenario "Freiburg übermorgen: kompakte Vielfalt in grünen Strukturen":

Die nachfolgenden Kernaussagen bilden gemeinsam mit den Rahmenparametern die Grundlage für das Zielszenario „Freiburg übermorgen: kompakte Vielfalt in grünen Strukturen“:

1 Orientierung anhand von Bandbreiten von Entwicklungen

Eine Orientierung anhand von Bandbreiten von Entwicklungen anstelle konkreter Zahlen macht die strategische Ausrichtung robuster gegenüber immer schwerer vorhersagbaren zukünftigen Entwicklungen

2 Aktive Gestaltung der Stadt ist zusehends schwierigere Aufgabe

Die aktive Gestaltung der Stadt Freiburg ist eine zusehends schwierigere Aufgabe und erfordert den Einsatz von adäquaten finanziellen und personellen Ressourcen (u.a. für den Umgang mit steigender Komplexität bei anspruchsvolleren Planungsverfahren, unzuverlässigeren Vorhersagen, umfassendere Kommunikation mit Bürger_innen).

3 Nutzungsgemischte durchgrünte Stadt wird grundlegender Ansatz

Die nutzungsgemischte durchgrünte Stadt wird als grundlegender Ansatz verfolgt und weitestgehend umgesetzt. Geeignete Potenziale der Mehrfachnutzung werden ausgeschöpft. So wird das Konzept der Stadt der kurzen Wege - auch nach der stadtgerstalterischen Idee der "15 Minuten Stadt" - und weitere Prinzipien nach der neuen Leipzig Charta gefördert.

4 Nachverdichtung im Bestand hat Vorrang vor der Zersiedelung im Außenbereich

Die Nachverdichtung im Bestand hat Vorrang vor der Zersiedelung und Flächenumwidmung im Außenbereich. Angesichts des städtischen Wachstums ist eine verträgliche Balance zu finden zwischen steigender Dichte (Bauen in die Höhe, Verringerung des durchschnittlichen Wohnflächenverbrauchs pro Kopf) und Erschließung/ Umnutzung von Flächen für Wohnen und Gewerbe. Hierbei bedarf es kreativer Lösungsansätze, beispielsweise durch die Umnutzung von Flächen für den ruhenden Pkw-Verkehr (Pkw-Stellplätze), aber auch zum Schutz wertvoller Flächen für die Klimaanpassung, den Erhalt der biologischen Vielfalt und der Erholungsvorsorge im Außenbereich.

5 Klimaschutz, Klimaanpassung, Umweltschutz und Erhalt der Biodiversität

Klimaschutz, Klimaanpassung, Umweltschutz und Erhalt der Biodiversität zählen, neben der Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum, zu den drängendsten Herausforderungen in Freiburg. Sie sind zentrale Ziele der Stadtentwicklung, welche kreative Lösungsansätze benötigen, um die Konfliktpotenziale mit dem steigenden Bedarf an Wohn-, Gewerbeflächen und Freiräumen so gering wie möglich zu halten. Klimaschutz, Klimaanpassung und der Erhalt der Artenvielfalt werden zur zentralen Aufgabe und zum qualitativen Maß der Stadtentwicklung, sowohl auf bestehenden Grün-, Wohn- und Gewerbeflächen als auch bei der zukünftigen Entwicklung neuer Flächen. In diesem Zusammenhang erlangen das Thema Gesundheit und das Handlungsfeld Bevölkerungsschutz u.a. vor dem Hintergrunnd der Notfall- und Katastrophenvorsorge (z.B. für Unwetter/ Starkregen) ebenfalls eine steigende Bedeutung.

6 Klimaneutrale und krisensichere Energieversorgung ist regional und erneuerbar

Eine klimaneutrale und krisensichere Energieversorgung ist regional und erneuerbar: In Freiburg werden die Potentialgebiete für erneuerbare Energien dargestellt. Im Sinne einer integrierten Bauleitplanung werden Flächen für die dezentrale und zentrale Versorgung der Bevölkerung mit Strom, Wärme und Kälte aus erneuerbaren Energiequellen frühzeitig mitgedacht.

7 Zusätzliche Flächen auch im Außenbereich notwendig

Weitere große Herausforderungen für Freiburg (u.a. Wohnraumversorgung, Bedeutungsgewinn Naherholungs- und Bewegungsflächen, Zuwanderung, demografischer und gesellschaftlicher Wandel, Inklusion) können über kleinteilige Erweiterungen, Gebäude- und Flächenumnutzungen und Verdichtungen der Stadt im Sinne der integrierten Planung allein nicht bewältigt werden: Es bedarf daher zusätzlicher Flächen auch im Außenbereich, um für mögliche zukünftige Siedlungserweiterungen im Sinne der städtischen Handlungsfähigkeit verträgliche Entwicklungsoptionen zu haben. Dieser zusätzliche Bedarf ist dem Potenzial laufender Planungen gegenüberzustellen und regelmäßig zu überprüfen.

8 Bei neuen baulichen Entwicklungen auch Grün- und Freiflächen entwickeln

Neue bauliche Entwicklungen können nicht ohne eine parallel verlaufende qualitative und womöglich auch quantitative Entwicklung von bestehenden und der Entwicklung von neuen Grün- und Freiflächen und entsiegelten Flächen erfolgen. Neben der Neuausweisung von Grün- und Freiflächen, entsiegelten Flächen sowie Flächen für den Naturschutz erstreckt sich die qualitative Entwicklung des "Grüns” in der Stadt für Klima- und Artenschutz, Klimaanpassung sowie als Erholungs- und Bewegungsraum unabhängig der baulichen Entwicklung auch auf die Aufwertung bestehender Flächen, wie Wohn- und Gewerbeflächen und Grünflächen, wie bspw. Friedhofsflächen. Hierbei bedarf es eines maßvollen Gleichgewichts von geschützten Bereichen zur Förderung von Biodiversität und uneingeschränkt nutzbaren Bewegungsräumen sowie ein sorgsames Ausbalancieren der zusätzlichen Nutzungen.

9 Stadtstruktur und Baukultur progressiv weiterentwickeln

Die Freiburger Stadtstruktur und Baukultur werden anhand der Vorgaben für das Bauen in die Höhe, der Steigerung von Dichte und Umsetzung der Mischnutzung an städtebaulich geeigneten Stellen progressiv weiterentwickelt.

10 Bauen in die Höhe

Das Bauen in die Höhe wird sowohl im Bestand als auch bei Neubauten ortsbezogen und punktuell gefördert. Es wird an ökologische Auflagen gekoppelt und mit dem Anspruch verknüpft das Grün in der Stadt zu erhöhen. Das begrenzte Potenzial zur Aufstockung im Bestand wird so weit wie möglich genutzt. Auflagen zur Nutzungsmischung sowie Möglichkeiten zur Mehrfachnutzung sind integriert. Dabei bedarf es finanzieller Fördermöglichkeiten, um den entstehenden Wohnraum bezahlbar zu gestalten.

11 Mehr Dichte erfordert Umsetzung hoher Qualitätsstandards

Mehr Dichte erfordert die Umsetzung hoher Qualitätsstandards in Freiburg. Dies bedeutet steigende finanzielle Belastungen des städtischen Haushalts. Es sind erhebliche Investitionen in die Qualität (z.B. von Wohnraum, von öffentlichem Raum, Grün- und Freiflächen, Gebäudegrün) notwendig. Zentral ist der Gewinn von Qualität und somit die Schaffung von besserer Nutzung.

12 Überholte Strukturen identifizieren

Überholte Strukturen werden identifiziert und Abbruch und Neubau auch unter dem Aspekt der Wiederverwertung von Baustoffen (Recyclingwirtschaft) in Erwägung gezogen, wenn Nachverdichtung nicht möglich ist (z.B. älterer nicht rentabel sanierbarer Siedlungsbau mit hohem Sanierungsbedarf und niedrigen Energiestandards).

13 Umgang mit Protesten

Der Umgang mit Protesten seitens der jeweils betroffenen Bevölkerung und die Suche nach möglichen Lösungen und Kompromissen entwickeln sich zu einer zentralen Aufgabe der Verwaltung. Dabei können nicht immer die Erwartungen aller Menschen erfüllt werden, d.h. es können nicht alle von den Entscheidungen profitieren. Es besteht das Risiko, Chancen nicht schnell genug nutzen zu können bzw. Bedarfe nur zu langsam decken zu können. Es wird von Freiburger Seite ein systematischer Fokus auf regionale, integrierte Lösungen der Stadtentwicklungspolitik gelegt, so dass regionale und interkommunale Kooperationen zunehmend ausgebaut werden sollen (inklusive Planung von Mobilitätsaufkommen, flächensparender Bauweise, sozialem Wohnungsbau, Klima- und Artenschutz).

14 Förderprogramme notwendig

Steigende Baustandards sowie knapper werdende Ressourcen steigern zunehmend die Bau- und Wohnkosten mit Risiken und Belastungen für Bauträger_innen und Mieter_innen. Da die hohen Standards sich nicht kostensteigernd auf den Wohnungsmarkt auswirken sollen, sind umfassende Ressourcen im Rahmen von Förderprogrammen notwendig.

15 Aktive Bodenpolitik

Aktive Bodenpolitik wird in Freiburg noch stärker als bisher als Instrument zur städtischen Entwicklung eingesetzt, um Handlungsspielräume für neues Bauland, aber auch für die Entwicklung und Qualifizierung von Grünflächen sowie Flächen für Erholung und Naturschutz zu erschließen (z.B. Ausüben von Vorkaufsrechten, Erwerb privater Flächen). Dies ist u.a. auch erforderlich, um die qualitativen Wohnraumbedarfe zu decken und die erforderlichen zielgruppenspezifischen Angebote (z.B. in den Segmenten bezahlbares Wohnen, familiengerechts Wohnen) zu schaffen.

16 Fokus aufregionale, integrierte Lösungen

Es wird von Freiburger Seite ein systematischer Fokus auf regionale, integrierte Lösungen der Stadtentwicklungspolitik gelegt, so dass regionale und interkommunale Kooperationen zunehmend ausgebaut werden sollen (mit dem Ziel der Begrenzung und klimagerechten Gestaltung des regionalen Verkehrsaufkommens, flächensparender Bauweise, sozialem Wohnungsbau, Klima- und Artenschutz).

17 FNP als zeitgemäßes Instrument weiterentwickeln

Eine nachhaltig zukunftsfähige und resiliente Entwicklung der Stadt Freiburg setzt voraus, dass städtischer Handlungsspielraum erhalten bleibt bzw. geschaffen wird. Dementsprechend wird der Freiburger FNP als zeitgemäßes Instrument weiterentwickelt: So ist die Einführung von Kategorien zu prüfen, die neue Qualitätsvorgaben enthalten (z.B. Anteil gemischter Nutzungen, Dichtevorgaben, Anforderungen an Begrünung/ Multifunktionalität, ökologische und energetische Standards). Darüber hinaus soll der FNP 2040 längerfristig flexible Gestaltungsoptionen erhalten (z.B. durch Offenhalten von Nutzungsoptionen von Flächen oder einfache Umnutzung). Er soll ein inklusives Instrument sein, das die verschiedenen Zielgruppen der Stadt Freiburg und ihre Bedarfe berücksichtigt und alle städtebaulichen Belange im Sinne des Allgemeinwohls abwägt.

Potenzielle Konflikte und Herausforderungen

  • Weiterentwicklung des Siedlungsraums vs. Erhalt von Landschaft und Stadtbild
  • Stärkung kommunalen Handelns vs. Steuerung durch den freien Markt 
  • Verhinderung von gesellschaftlicher Polarisierung durch (sozio-)ökonomische Ungleichheiten in der Bevölkerung 
  • hohe Investitions- und laufende Kosten
  • hohe Veränderungsanforderungen an beteiligte Akteure (z.B. Arbeiten mit Bandbreiten, Offenhalten von Nutzungsoptionen für Flächen)
  • lange Abstimmungsprozesse (regionale Kooperation, Proteste, Einbezug vieler Akteur_innen)
  • die Investitionen in den Klimaschutz müssen weiter gesteigert werden