Zukunftsszenario 5

Urban-Produktive Wissensstadt

Stärkung zentraler Lagen

Kernentwicklungen

Die wissensorientierte Ökonomie (Medizintechnik, Solartechnik etc.) ist die treibende Kraft für das hohe Maß an Veränderungsdynamik in der Stadt Freiburg. Bei technologischen Neuerungen haben Freiburger Akteur_innen weltweit eine Spitzenrolle. Es ist eine vielfältige Nutzungsmischung entstanden. In der Kernstadt sind Produktion, Dienstleistung und urbane Nutzungen eng miteinander verflochten. Aus dem einen oder anderen Gewerbegebiet ist ein urbaner Wissenscampus mit vielfältigen Einrichtungen entstanden. Der starke urbane Kern ist umgeben von einem Siedlungsring, der die schnelle Entwicklung wenig mitgehen konnte. Gesellschaftliche Verdrängungseffekte haben die Kernstadt und den näheren Stadtrand zu exklusiven Wohnlagen werden lassen, die sich von der Ausstattung und der Zahlungskraft der Bewohner_innen deutlich zu den Ortslagen und der Region unterscheiden.

Für wissenschaftliche Fachkräfte hat die Stadt Freiburg seit den 2020er Jahren an Attraktivität nochmal stark zugelegt: Hier zu arbeiten und zu leben unterstützt die eigene Entwicklung und Karriere. Umgekehrt finden wissensbasierte Unternehmen in der „Urban-produktiven Wissensstadt“-Freiburg die Fachkräfte, die sie brauchen.

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Stadtgesellschaft

Die starke technologische Orientierung bringt immer wieder Protestbewegungen auf den Plan, die umfassende Prüfungen neuer Technologien (z.B. autonom fahrende Straßenbahnen) fordern, bevor diese zum Einsatz kommen. Mediation ist eine Daueraufgabe für eine dafür neu gegründete Abteilung der städtischen Verwaltung. Durch die Konzentration der dynamischen Entwicklungen in der Kernstadt und in einigen Quartieren mit Campus-Charakter, klaffen Einkommensniveau und Lebensstile im Vergleich zu den Ortslagen bzw. der Region zusehends auseinander. Klassische Arbeitsmilieus werden aufgrund der Wohnkostenentwicklung an die Stadtgrenzen oder in die Region verdrängt.

Bezug zur Region

Die Region spielt für die Freiburger eine wichtige Rolle in Bezug auf Freizeit und Erholung. Hier finden die Wissens-Arbeitskräfte Ausgleich zum stressigen Alltag. Handwerksbetriebe sowie Lager für Rohstoffe sind zum Teil aus Freiburg in die Region gezogen.

Klimawandel & Artenschutz

Die hoch verdichtete Kernstadt hat nur punktuelle, kleine Grünflächen. Eine intensive Dachbegrünung und Nutzung als Erholungsfläche findet kaum statt, da die Dächer bereits mit Photovoltaikanlagen belegt sind. So herrscht in den Sommermonaten ein sehr heißes Mikroklima. Im Umgang mit klimabedingten Hitzewellen nutzt die Stadt Freiburg technische Lösungen: neben Klima- und Sprinkleranlagen kommen an vielen Stellen ausfahrbare Reflektoren und Sonnensegel zum Einsatz. Im Sommer sind ganze Straßenzüge im Innenstadtbereich vorübergehend mit Pflanzkübeln, Liegestühlen bzw. Sitzgelegenheiten und Swimmingpools ausgestattet, um zumindest zeitweise attraktive öffentliche Plätze zu schaffen.

Die Energieverbrauchsbilanz der Stadt Freiburg fällt „nur“ dadurch positiv aus, dass sie ihren Bedarf komplett mit regenerativen Energien decken kann. Insgesamt ist der Bedarf durch die starke Technologisierung (u.a. den großflächigen Einsatz von Erdwärme-/ Erdkühlsystemen) gestiegen. Der Artenschutz konzentriert sich auf die Ränder und Ortslagen der Stadt, da die hohe Dichte der Kernstadt hier zu wenig Spielräume lässt.

Zielkonflikte

Die Zielkonflikte verlaufen überwiegend entlang sozialer Aspekte. Der starke Fokus auf Wissensökonomie hat die Kernstadt deutlich anders entwickelt (mehr Technik, höhere Einkommen) als die Rand- und Ortslagen. Die Stadt steht vor der großen Herausforderung, eine vielfältige soziale Mischung in der Bewohnerschaft durch Gegensteuern im innerstädtischen Bereich herzustellen.

Stadtfunktionen

Wohnen

Der starke Zuwachs an wissensbasierten Tätigkeiten hat Wohnen und Arbeiten nah aneinanderrücken lassen. Ob die Arbeitskräfte der Wissensökonomie im Büro oder von zuhause arbeiten, im Café, im Park oder im Labor – die Entscheidung bleibt ihnen in der Regel überlassen.

Zur Bindung von Fachkräften an das eigene Unternehmen nimmt der Anteil von Wohnungen in privatwirtschaftlicher Hand deutlich zu. Eine schöne betriebszugehörige Wohnung in zentraler Lage von Freiburg ist ein gern eingesetztes Mittel für das Anwerben dringend benötigter Fachkräfte.

Weniger zahlungskräftige Haushalte werden immer mehr an den Stadtrand in die Ortslagen bzw. in die Region verdrängt. In der Kernstadt – und zum Teil auch in den Stadtrandlagen – sind die Wohnungen hochwertig renoviert und wurden oftmals durch weitere Geschosse ergänzt. Sie haben die neueste technische Ausstattung (Hochgeschwindigkeitsdatennetze, Gesichtserkennung für die Zugangsregelung, smarte Energiesteuerung, Erdwärme-/Erdkühlsysteme zur Bewältigung von Hitzeperioden etc.). Bildungseinrichtungen, soziale Infrastruktur – alles ist schnell erreichbar. In den Ortslagen sowie in der Region ist der Standard ein anderer: Gute Datennetze sind keine Selbstverständlichkeit, die Anbindung an den ÖPNV ist weniger gut. Was den Wohnraum betrifft, so finden sich hier einerseits weniger hochpreisige Wohnungen, und andererseits haben sich durchaus zahlungskräftige Menschen, die sich dem Druck der schnellen Veränderung entziehen wollen, hier angesiedelt.

Der Verbrauch an Wohnfläche pro Kopf sinkt durchschnittlich leicht, ist jedoch über die sozialen Schichten hinweg sehr unterschiedlich verteilt.

Flächenverbrauch & -nutzung:
Der Freiburger Wohnungsmarkt ist hart umkämpft. Er kann trotz leichtem Flächenzuwachs seit 2020 und vermehrtem Bauen in die Höhe die gestiegene Nachfrage nicht bedienen. Egal welche Strategien Stadt und Privatwirtschaft versuchen zu verwirklichen, irgendeine Zielgruppe fällt dabei immer durchs Raster. In den für Mischnutzung ausgewiesenen Gebieten konkurrieren Wohnungsmarkt und Gewerbe mit teils horrend-spekulativen Preisen um die Überplanung vorhandener Flächen. In Stadtrandlagen und Ortslagen wurden, dort wo es möglich war, neue Entwicklungsgebiete geschaffen.

Gewerbe

Mit dem starken Fokus auf wissensorientierte Gewerbezweige hat sich in den letzten 20 Jahren eine hohe Innovationsbereitschaft, geradezu ein Innovationsdruck im Freiburger Gewerbe entwickelt. Die Universität ist für diese Entwicklung ein wichtiger Motor: einerseits durch die Bereitstellung von gut ausgebildeten Fachkräften, andererseits durch angegliederte Forschungseinrichtungen und Start-ups, die sich überall in den gewerblichen Strukturen der Stadt wiederfinden lassen.

Einige Gewerbegebiete haben Campus-Charakter bekommen, mit einer starken Nähe und Zugang zu Bildungs- und Forschungseinrichtungen. Auf dem Campus wird nicht nur gearbeitet: Wohnungen für Gastwissenschaftler und Studenten, Freizeiteinrichtungen, Gaststätten, soziale Infrastruktur etc. sorgen für eine bunte, ideenreiche Nutzungsmischung und belebte Atmosphäre. Schlagworte der 2020er Jahre, wie „digitalisierte Industrieproduktion“ oder „geteilte Werkstätten mit modernen Produktionsgeräten“, haben in Freiburg nicht nur ihre Experimentier- und Lernfelder gefunden, sondern grundlegenden Einzug in die lokale Wirtschaft gehalten. Vertikale Produktionsanlagen und vollautomatische Kleinteilelager finden sich in vielen Gewerbegebieten, um die Flächen möglichst effizient zu nutzen.

Während das direkt auf die Endkund_innen ausgerichtete Gewerbe die Nähe zur Stadt sucht, orientiert sich die sonstige Fertigung auf günstigere Standorte außerhalb Freiburgs.

Industrie und produzierendes Gewerbe sind nach wie vor wesentlicher Bestandteil für den funktionierenden Wirtschaftsstandort Freiburg (wenn auch deutlich untergeordnet zum Dienstleistungs- bzw. Wissenschaftssektor).

Flächenverbrauch & -nutzung:
Im Allgemeinen ist die Gewerbenutzung auf Grund von technischen Neuerungen, die zu einer Reduzierung des Gewerbelärms und Geruchs beitragen, wohnverträglicher geworden. Sie ist nun besser innerhalb der Stadt in Wohn- wie auch gemischte Gebiete zu integrieren. Zusätzlich hat eine neue Flächeneffizienz zu einem starken Wachstum an innovativ, in die Höhe gebauten Gewerbebetrieben in der Stadt geführt. Trotz eines geringeren Flächenbedarfs pro Unternehmen sind aufgrund des starken ökonomischen Wachstums die Flächenanteile im Vergleich zu 2020 leicht gestiegen.

Natur und Erholung

Natur und Erholung konzentrieren sich überwiegend auf die Region und werden am Wochenende in Form von Tagesausflügen frequentiert. Wochentags sind es eher die nahen Oasen in Form von Stadtwäldern oder begrünten Gewerbehöfen, die in der Kernstadt von vielen Menschen aufgesucht werden, zum Arbeiten oder für Sport und Erholung. Arbeit und Freizeit sind zunehmend verschwommen. Gleichzeitig legen die Menschen Wert auf eine gute „Work & Life Balance“, d.h. Sport und Entspannung spielen eine wichtige Rolle.

In den Gewerbeparks in der Region bzw. auf dem Gewerbecampus am Rande der Stadt wurde bei der Entwicklung Wert auf eine hohe Freiraumqualität gelegt.

Flächenverbrauch & -nutzung:
Natur und Erholungsflächen in Form von öffentlichen Parkflächen und Landschaftsachsen sind leicht gesunken. Innerhalb von neuen Gewerbehöfen und Wohnanlagen sind gleichzeitig aber viele kleinteilige grüne hochwertige Erholungsräume entstanden und vermitteln den Eindruck einer immer noch sehr grünen Stadt Freiburg.

Land- und Forstwirtschaft

Auch in der Landwirtschaft hat sich die wissenschaftlich-technologische Orientierung der Stadt durchgesetzt. Sie verlagert sich aus Freiburg zunehmend in die Region, profitiert jedoch von der Nähe zu wissenschaftlichen Entwicklungen in Form von Pilotversuchen zur Steigerung von Effizienz, verbesserten Erträgen, neuen vertikalen Anbaumethoden (gestapelte Gärten in Hochregalen) und anderes mehr. Aus klimatischen Erwägungen sind die forstwirtschaftlichen Flächen vor Abholzung und Bebauung geschützt worden und erfüllen primär makroklimatische Funktionen. Anlagen zur Gewinnung von regenerativer Energie (Solar- & Windenergie, Geothermie, Photosynthese-Energie) haben auf landwirtschaftlichen Flächen nicht nur ihre Experimentierfelder, sondern sind seit Jahren für die Deckung des hohen Energieverbrauchs der Stadt verantwortlich.

Flächenverbrauch & -nutzung:
Der Flächenanteil der landwirtschaftlichen Flächen innerhalb der Stadt Freiburg hat abgenommen. Durch neue Technologien und Anpassungen an den Klimawandel konnte der landwirtschaftliche Ertrag der Flächen aber auf dem Niveau von 2020 gehalten werden. Wohn- und Gewerbeflächen haben die abgängigen Flächen in Anspruch genommen.

Ver- und Entsorgung

Neue Produktionsabläufe, verbesserte Maschinen und steigende Umweltstandards reduzieren den Wasser- und Energiebedarf kontinuierlich und produzieren weniger Müll. Die Einsparungseffekte werden in großen Teilen vom erhöhten Verbrauch technologischer Geräte (z.B. Klimaanlagen, digitale Medien) wieder zunichte gemacht. Und Wasser, das große „Sorgenkind“ der Versorger in den Sommermonaten, konnte durch eine neue Form der Aufbereitung und Wasserspeicherung seit den letzten Jahren auch wieder ohne Versorgungsengpässe ganzjährig fließen.

Die Stadt Freiburg hat ihre Vorbildfunktion in Sachen Herstellung und Speicherung von regenerativen Energien ausbauen können und hat umfassende Erfahrungen im Experimentieren mit neuen Energiequellen (z.B. biochemische Funktionen wie die Photosynthese von Pflanzen) und Ansätzen zur Effizienzsteigerung. Die Investitionen in diesem Bereich sind hoch.

Flächenverbrauch & -nutzung:
Der Flächenanteil für Ver- und Entsorgung sind in der Stadt seit 2020 u.a. auf Grund des hohen Energieverbrauchs gestiegen. Dafür ist die Stadt aber auch in der Lage autark Energie, Trinkwasser und Entsorgung bereitzustellen. Durch vermehrtes Engagement privater Unternehmen verschmelzen zunehmend die Trennlinien zwischen gewerblichen Flächen und denen für Ver- und Entsorgung.

Soziale Infrastruktur

In den verdichteten Kernstadtbereichen ist der Bedarf an Kinderbetreuung gestiegen. Unternehmen engagieren sich und bauen Unternehmens-Kindergärten auf, um ihren Mitarbeiter_innen eine gute Versorgung zur Verfügung stellen zu können. Auch Möglichkeiten für Sport und Freizeit finden sich oft in Betrieben selbst oder zumindest in unmittelbarer Nähe.

Die „Urban-Produktive Wissensstadt“-Freiburg konnte aufgrund der guten Finanzlage auch in den Gebieten außerhalb der Kernstadt eine gute öffentliche Grundversorgung sicherstellen. Die gesundheitliche Versorgung ist aufgrund des starken medizinischen und medizintechnischen Sektors ausgesprochen gut. Bildungs- und Weiterbildungseinrichtungen arbeiten auf höchstem Wissensstand und mit modernsten Methoden – digital und vor Ort.

Flächenverbrauch & -nutzung:
Der Flächenbedarf für öffentliche soziale Infrastruktur ist in etwa vergleichbar mit dem Wert von vor zwanzig Jahren. Da immer mehr Unternehmen Zusatzleistungen für den exklusiven Kreis ihrer Mitarbeiter_innen anbieten, ist das Angebot für viele Menschen gefühlt gestiegen.

Handel

Der Einzelhandel hat sich schon seit Mitte der 2020er Jahre deutlich aus der Innenstadt zurückgezogen. Bei den dortigen Bewohner_innen ist der Online-Einkauf eine Selbstverständlichkeit. Läden, die in ihren Ausstellungsräumen geschickt neueste Technologie zur Präsentation von Produkten nutzen oder neueste Erfindungen zum Kauf anbieten, wecken Aufmerksamkeit und erreichen auch hier noch ihre zahlungskräftigen Kund_innen.

In den Rand- und Ortslagen hat sich eine Mischung aus integriertem Online- und Offline- Handel -entwickelt.

Flächenverbrauch & -nutzung:
Der Anteil der Handelsflächen hat in der Flächenbilanz eine abnehmende Tendenz. Auch wenn es strukturelle Unterschiede zwischen der hochtechnisierten Innenstadt und dem Stadtrand gibt, dominiert überall der Onlinehandel zusammen mit lokalem Lieferservice.

Mobilität

Innerstädtisch steigen die Verkehrsansprüche auf kleinem, engem Raum auf Grund der zunehmenden Vielfalt von Verkehrsmitteln. Die hohe Mischung von Wohnen und Gewerbe stärkt den Ansatz der Stadt der kurzen Wege.

Beliebt sind alle Verkehrsträger, die technisch das neueste zu bieten haben. Es wird gern etwas Neues ausprobiert (darunter autonom fahrende Autos und Sammeltaxis). Seit Mitte der 2030er Jahre hat der Stellenwert des privaten PKW abgenommen. Es gibt eine Vielzahl von mietbaren kleinen Fahrzeugen (ob auf zwei oder mehreren Rädern oder schwebend) mit attraktiver Ausstattung, die über eine Mobilitäts-App miteinander verknüpft und buchbar sind. Mobilitäts-Hubs, die unterschiedliche Verkehrsmittel als Umsteigestationen miteinander verknüpfen, sind über das gesamte Stadtnetz verteilt. Hier findet man schnell Anschluss in die Kernstadt und andere zentrale Quartiere. Die Anbindung in die Region funktioniert bisher dagegen schleppend.

Flächenverbrauch & -nutzung:
Der Flächenanteil für Mobilität befindet sich auf dem Niveau von 2020: Zwar führen kleinere Fahrzeuggrößen von autonom fahrenden Autos und Sammeltaxis im Vergleich zu Bussen und Bahnen zu mehr Verkehrsaufkommen, doch ist im Gegenzug der Anteil privater PKWs gesunken, so dass sich beide Entwicklungen in etwa aufheben.

Flächenverbrauch und -nutzung

Freiburg boomt – auch wenn einige Regularien und Normen dieser Entwicklung gewisse räumliche Grenzen setzen. So ist weder ein unbegrenztes Wachstum in die Landschaft noch in die Höhe möglich. Wohnen, Gewerbe und die Ver- und Entsorgung sind die Flächengewinner in diesem Szenario, während die innerstädtischen Grünräume und der Handel Flächen einbüßen und die weiteren Stadtfunktionen in etwa gleichbleibende Flächenanteile aufweisen.