Einblicke in die Sammlungsgeschichte

Eugen Brandeis

23.09.1846 – 09.12.1930

Der aus Geisingen stammende Eugen Brandeis hatte ein bewegtes Leben: Nach seinem Mathematikstudium in Karlsruhe und Freiburg (1863–1866) trat er in den Militärdienst (1866–1877) ein. In die Ferne zog es ihn erstmals als Vertreter einer Hamburger Handelsfirma nach Haiti. Hier war er anschließend als Verwalter des Kaiserlichen Konsulates tätig. Später arbeitete er im Eisenbahnbau auf Kuba und als Ingenieur beim Bau des Panamakanals, sowie am deutschen Konsulat in Sydney, Australien. 1886 ging Brandeis nach Samoa, wo er strategischer Berater des durch die deutsche Kolonialregierung als König eingesetzten Tupua Tamasese wurde. In Folge der samoanischen Revolten verließ Brandeis 1889 jedoch die Insel und ging nach Berlin. Bereits 1890 kehrte er in die Südsee zurück und arbeitete in verschiedenen Funktionen für das Kaiserliche Kommissariat des Schutzgebietes der Marshallinseln auf der Insel Jaluit. 1892 folgte die Beförderung zum obersten Richter des deutschen Schutzgebietes des Bismarck Archipels. Von 1895 bis 1898 war er in der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes tätig, bevor er 1898 zum Landeshauptmann der Marshallinseln ernannt wurde. Diese Position übte er über zwei Amtszeiten bis 1906 aus.

Nach seiner Rückkehr nach Berlin wurde er aufgrund der exzessiven Anwendung der Prügelstrafe auf den Marshallinseln Gegenstand einer öffentlichen Debatte um Gewalttaten und Machtmissbrauch in den deutschen Kolonien. Die Quellenlage deutet darauf hin, dass er aufgrund dieser Vorwürfe in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wurde. Nach einem kurzen Einsatz als Reservist im Ersten Weltkrieg zog Eugen Brandeis 1917 von Berlin nach Bad Säckingen, wo er bis zu seinem Tod ein zurückgezogenes Leben führte.

Schenkung Brandeis

Auf Bitten von Oberbürgermeister Winterer sagte Brandeis dem Museum eine ethnologische Sammlung aus der Südsee zu. 1900 und 1901 trafen die versprochenen Objekte von den Marshallinseln in Freiburg ein. Der eigentliche Verdienst hierfür liegt jedoch bei seiner Ehefrau Antonie Brandeis (*1868, †1945), die die Sammlung vor Ort und in Nauru zusammengetragen und mit einem ausführlichen Kommentar versehen hat.

Eines der zentralen Artefakte der Brandeis-Sammlung ist das Modell eines Kriegskanus, welches er 1898 von dem samoanischen Chief Mata’afa Iosefo (*1832, †1912) als Geschenk erhielt und 1900 dem Museum überließ. Mata’afa Iosefo war ein Rivale des von den Deutschen eingesetzten Königs Tamasese Titimaea, für den Brandeis bis 1889 als Berater tätig war. Nachdem Chief Mata’afa sich militärisch gegen die Tamasese-Regierung erhoben hatte und besiegt wurde, verbannte ihn die deutsche Kolonialverwaltung 1893 ins politische Exil auf die Marshallinseln. Mit seinem Amtsantritt im Jahr 1898 wurde Eugen Brandeis für ihn verantwortlich. Auch wenn beide zuvor politische Gegner waren, zeugen das Geschenk wie auch Briefe und Aufzeichnungen des Ehepaars Brandeis von einem späteren freundschaftlichen Verhältnis. Gleichwohl fehlt, um dies abschließend zu beurteilen, die Perspektive von Chief Mata’afa. Nach seiner Rückkehr nach Samoa im Jahr 1898 wurde er König von Samoa, nun mit deutscher Unterstützung.

Die herausragende Brandeis-Sammlung wurde von Ficke auf ca. 1.400 Mark geschätzt. Heute befinden sich noch knapp 300 Objekte dieser Sammlung in Freiburg, die als eine der bedeutendsten Bestände der Ethnologischen Sammlung gilt. Seit Juli 2020 wird mit einem Forschungsprojekt die Provenienz der Brandeis-Sammlung und dabei vor allem die Rolle von Antonie Brandeis als Sammlerin untersucht.

Aktualisiert und überarbeitet von Godwin Kornes, wissenschaftlicher Mitarbeiter MNM, Mai 2021

Eugen Brandeis, o. J., Koloniales Bildarchiv, Universitätsbibliothek Frankfurt/Main
Eugen Brandeis, o. J., Koloniales Bildarchiv, Universitätsbibliothek Frankfurt/Main
Antonie und Eugen Brandeis auf den Marshallinseln, o. J., In: Zache, 1938, Das dt. Kolonialbuch, S. 509, Foto: *)
Antonie und Eugen Brandeis auf den Marshallinseln, o. J., In: Zache, 1938, Das dt. Kolonialbuch, S. 509, Foto: *)
Stabkarte, Marshallinseln, Mikronesien, 19. Jh., Slg. Brandeis, Inventarnummer II/0645, Foto: Axel Killian
Stabkarte, Marshallinseln, Mikronesien, 19. Jh., Slg. Brandeis, Inventarnummer II/0645, Foto: Axel Killian
Schiffmodell, Samoa, Polynesien, 19. Jh., Slg. Brandeis, Inventarnummer II/0657, Foto: Axel Killian
Schiffmodell, Samoa, Polynesien, 19. Jh., Slg. Brandeis, Inventarnummer II/0657, Foto: Axel Killian
König Maatafa von Samoa, o. J., Koloniales Bildarchiv, Universitätsbibliothek Frankfurt/Main
König Maatafa von Samoa, o. J., Koloniales Bildarchiv, Universitätsbibliothek Frankfurt/Main
Pinsel, Marshallinseln, Mikronesien, Slg. Brandeis, Inventarnummer II/0812, Foto: Axel Killian
Pinsel, Marshallinseln, Mikronesien, Slg. Brandeis, Inventarnummer II/0812, Foto: Axel Killian