Erfolgte Umbenennung (Aggressiver Antisemitismus)

Denzlinger Straße (ehemalige Alban-Stolz-Straße)

Datum der Benennung

Auf Wunsch und Beschluss des Stadtrates vom 4.2.1914.

Damalige Begründung der Benennung

Nicht überliefert.​


Name, Vornamem Beruf, Funktion oder Amt:

Stolz, Alban (1808-1883). Studium der Katholischen Theologie in Freiburg und Heidelberg, 1833 Priesterweihe, 1845 Promotion, 1848 Professur für Pastoraltheologie und Pädagogik in Freiburg, 1858/59 Prorektor der Universität Freiburg.

Kurzbiographie

Die Bedeutung von Alban Stolz liegt in seiner enormen publizistischen Breitenwirkung. Er galt als „größter katholischer Volksschriftsteller deutscher Zunge“, der mit seinen Schriften über Jahrzehnte hinweg ein Massenpublikum erreichte. Darüber hinaus nahm er als Universitätsprofessor auf die Ausbildung der Priester in der Erzdiözese Freiburg – wie etwa das Beispiel Heinrich Hansjakobs zeigt – erheblichen Einfluss.

Grundlage seiner Wirkungsmächtigkeit war der von ihm seit 1843 bis zu seinem Tod herausgegebene und im Herder-Verlage erschienene „Kalender für Zeit und Ewigkeit für das gemeine Volk und nebenher für geistliche und weltliche Herrenleute“, ein Bestseller, der sich in Deutschland, Österreich und der Schweiz bis zu 300 000 bis 400 000 Mal verkaufte – für die damalige Zeit enorme Auflagen. Seine Kalender waren vielbenutzter Lesestoff der ländlichen Bevölkerung. Die vom Herder-Verlag herausgegebenen gesammelten Werke, die im katholischen Bürgertum breit rezipiert wurden, erfuhren zahlreiche Auflagen.

Alban Stolz gehörte zu den ultramontanen katholischen Publizisten, die sich vehement gegen jegliche gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungen stemmten und vor allem im Kulturkampf entschieden Position bezogen. Ein besonderes Merkmal ist in diesem Zusammenhang ein aggressiver Antisemitismus, der in zahlreichen seiner Schriften zum Ausdruck kommt. Auf der einen Seite polemisiert er in der Tradition des kirchlichen Antijudaismus gegen die „verstockten Juden“, „die Gottesmörder“, das Volk, auf dem „bis auf den heutigen Tag Verachtung und Unglück liegt“. Doch er geht weiter: Für ihn sind die Juden Urheber aller Missstände der Gegenwart, in der Emanzipation der Juden sieht er die „drohende Beschneidung Deutschlands“, eine „jüdische Übermacht“ durch die „Verjudung des Zeitungswesens“ und durch die „Börsen- und der Bankjuden“ als gegeben. Und überall ortet er Anzeichen für eine jüdisch-freimaurerische Verschwörung.

Seine Sprache zeigt ihn als Judenhasser, dessen Tier-, Pflanzen- und Seuchenmetaphern eine Dehumanisierung betreibt: Juden als „Unkraut“, „Schmarotzerpflanzen“, „Ungeziefer“, „Würmer“, „Ratten“, Aas“, „Maden“, „Läuse“, als „Trichinenbrut in der deutschen Bevölkerung“; „Wien ist der Garten, das Paradies, das Mistbeet des Judentums“.

Wirtschaftlichen Aktivtäten von Juden seien einzig und allein daraufhin angelegt, den christlichen Gegenpart wie „Wanzen [...] auszusaugen“ und in den Ruin zu treiben. Gerade die jüdischen Händler auf dem Land wie etwa die „Viehjuden“ wurden durch solche Verbalinjurien bei der bäuerlichen Bevölkerung diskreditiert, obwohl die Geschäftsbeziehungen im Alltag – wie wir wissen – gut funktionierten. „Schacher“ und „Wucher“ sei den Juden angeboren – so Alban Stolz –, der dies letztlich erbbiologisch und damit rassisch begründet: „Das Kind einer jüdischen Familie, die seit vielen Generationen den Schacher trieb, wird gewiß auch dann zu diesem Geschäfte und den damit verbundenen Untugenden Gelüst zeigen, wenn es noch unmündig in ganz andere Umgebung und Erziehung gebracht worden“.


Begründung

Im Falle von Alban Stolz handelt es sich nicht um Äußerungen eines primär religiös bedingten Antijudaismus oder um Äußerungen von antijüdischen Vorurteilen aus dem „Zeitgeist“ heraus (wie etwa bei Theodor Fontane), sondern um die Konstruktion eines rassisch begründeten antisemitisches Wahnsystems, das die Funktion einer Krisenbewältigungsstrategie gegen alles Moderne besaß. Alban Stolz, der virtuos die Klaviatur des Antisemitismus beherrschte, war ein Multiplikator, der Hundertausende, wenn nicht sogar Millionen seiner Leser in ihren antijüdischen Stereotypen bestärkte ​oder diese Kraft seiner kirchlichen Autorität zum Antisemitismus „bekehrte“. Er ist mit Sicherheit einer der wichtigsten antisemitischen Publizisten der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, dessen Wirkungsgeschichte gerade auch im katholischen Milieu bis weit in das 20. Jahrhundert hineinreichte.​


Empfehlung

Die Kommission hat einstimmig beschlossen, die Umbenennung des Straßennamens vorzuschlagen.​


Vorschlag

Die Kommission hat unverbindlich vorgeschlagen: Gottfried Keller (1819-1890). Schweizer Dichter, Vertreter der realistischen zeitkritischen Richtung in der Literatur.​

Umbenannt in: (Gemeinderatsbeschluss vom 14.07.2020)

Denzlinger Straße

Zusatzschild:
Diese Straße war von 1914-2018 nach Alban Stolz benannt – katholischer Theologe und erfolgreicher Volksschriftsteller. Die Umbenennung erfolgte aufgrund eines aggressiven, rassisch begründeten Antisemitismus in seinen Schriften.