Erfolgte Umbenennung (Nationalsozialismus)

Martha-Walz-Birrer-Straße (ehemalige Julius-Brecht-Straße)

Datum der Benennung

5.3.1965

Damalige Begründung der Benennung

Die Julius-Brecht-Straße wurde 1965 zusammen mit der Mathias-Blank-Straße benannt. Der Gemeinderat fasste den Benennungsbeschluss einstimmig. Die Benennung der Straße ging auf einen Antrag des Bauvereins zurück, um mit Julius Brecht einen bundesweit anerkannten Experten der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft bzw. den langjährigen Verbandsdirektor des Gesamtverbandes Gemeinnütziger Wohnungsunternehmen zu ehren.

Name, Vornamem Beruf, Funktion oder Amt:

Julius Brecht (1900-1962). Volkswirt, 1938-1945 Präsident des Reichsverbandes des deutschen gemeinnützigen Wohnungswesens e.V., 1951-1962 Direktor des Gesamtverbandes gemeinnütziger Wohnungsbauunternehmen, 1957-1961 SPDBundestagsabgeordneter.

Kurzbiographie

Nach dem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften promovierte Julius Brecht 1921 über Fragen des Wohnungswesens. Nach einer Banklehre und Tätigkeit als Prokurist übernahm er 1927 zunächst die Direktion der Westfälischen Heimstätte in Münster und dann ab 1935 der saarlandpfälzischen Heimstätte in Neustadt. Am 1. Mai 1937 trat er in die NSDAP ein und war von 1938 bis 1945 Leiter des Reichsverbandes des deutschen gemeinnützigen Wohnungswesens e.V. in Berlin. Seit 1942 war er Mitglied des Nationalsozialistischen Rechtswahrerbunds. Im selben Jahr wurde ihm das Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse ohne Schwerter verliehen. Im August 1944 erfolgte seine Berufung in den Reichsführungsstab des Deutschen Wohnungshilfswerkes. Nach Kriegsende trat Julius Brecht 1947 in die SPD ein und übernahm von 1947 bis 1951 das Amt des Direktors des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen in Hamburg-Altona. Von 1951 bis 1962 war er als Direktor des Gesamtverbandes gemeinnütziger Wohnungsunternehmen in Köln tätig. Als Bundestagsabgeordneter der SPD (1957-1962) war er ordentliches Mitglied und stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht, sowie ordentliches Mitglied im Finanzausschuss. Gleichzeitig übernahm er das Amt des Präsidenten der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft e.V. in Berlin (1959-1962).


Begründung

Während der Zeit des Nationalsozialismus setzte Julius Brecht seine Karriere als ein anerkannter Experte des gemeinnützigen Wohnungswesens nicht nur ungebrochen fort, sondern positionierte sich in diversen Empfehlungen und fachlichen Aufsätzen als ein überzeugter Vertreter der nationalsozialistischen Ideologie. So empfahl er u.a., jüdischen Vereinigungen die Zulassung der Gemeinnützigkeit und staatliche Zuwendungen zu entziehen und bekannte sich zum uneingeschränkten 'Dienst an Volk und Führer'. Als Reichsverbandsleiter des deutschen gemeinnützigen Wohnungswesens (1938-1945) unterstützte er die systematische Diskriminierung und Entrechtung von Jüdinnen und Juden und ihre Vertreibung aus Wohnungen und Häusern. In leitender Funktion betrieb er federführend die Enteignung jüdischen Wohnbesitzes. Er bekannte sich explizit zu den antisemitischen Grundsätzen der nationalsozialistischen Wohnungspolitik und propagierte den Führerkult. Als Reichsverbandsleiter und Herausgeber der Zeitschrift für Wohnungswesen war er mitverantwortlich für die eindeutig antisemitische und militaristische Stoßrichtung der Verbandsorgane. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Julius Brecht sich nicht öffentlich mit seiner NSDAP Mitgliedschaft und seiner Rolle im Nationalsozialismus auseinandergesetzt. Er setzte seine Karriere mit seinem Eintritt in die SPD (1947) weitgehend nahtlos fort. Als Direktor des Gesamtverbandes gemeinnütziger Wohnungsunternehmen und durch sein politisches Engagement als Bundestagsabgeordneter für die SPD hat er sich um den gemeinnützigen Wohnungsbau in der Bundesrepublik verdient gemacht. Davon zeugt auch die posthume Verleihung der Victor Aimé Huber-Plakette für 'besondere Verdienste um die gemeinnützige Wohnungswirtschaft' (1963).

Empfehlung

Da Julius Brecht durch seine Tätigkeit als Reichsverbandsleiter eine aktive und verantwortliche Rolle im Nationalsozialismus spielte und damit einen direkten Anteil an der Verbreitung und Durchsetzung antisemitischer Ideologie hatte, schlägt die Kommission einstimmig vor, die Straße umzubenennen. Dafür spricht auch, dass sich Julius Brecht, trotz aller Verdienste für das gemeinnützige Wohnungswesen und sein aktives demokratisches Engagement in der Bundesrepublik, nie offen zu seiner nationalsozialistischen Vergangenheit geäußert hat.

Vorschlag

Die Kommission hat unverbindlich vorgeschlagen: Gertraude Ils (geb. 1909). 1975-1984 SPD-Stadträtin in Freiburg.

Der Gemeinderat hat im Juli 2018 gemäß Drucksache G-18/009 die Umbenennung der bisherigen Julius-Brecht-Straße in "Martha-Walz-Birrer-Straße".