Sitzung vom 27. November 2018

Aktuelles aus dem Gemeinderat

In der letzten Sitzung des Gemeinderats war die Wohnungssituation in Freiburg das zentrale Thema. Beschlossen wurde, im geplanten neuen Stadtteil Dietenbach mindestens 50 Prozent geförderten Mietwohnungsbau zu verwirklichen. Die Freiburger Stadtbau soll weiterentwickelt und gestärkt werden. Ab Januar gibt es außerdem ein Referat für bezahlbares Wohnen.

1 Vier Anträge zur Sicherheit in Freiburg und dem Frauennachttaxi

Vier interfraktionelle Anträge zum Thema Sicherheit und zum Frauennachttaxi hat der Gemeinderat in seiner Sitzung am vergangenen Dienstag an die Verwaltung gestellt. Diese wird die Anträge prüfen und im neuen Jahr wieder in die Gremien bringen.

Ein Antrag der Grünen-Fraktion, SPD, UL, JPG und FW forderte, dass das Thema Sicherheit für Frauen im Gemeinderat diskutiert wird und die Verwaltung die bisher erfolgten Maßnahmen im Rahmen der Sicherheitspartnerschaft aufarbeiten soll. Sicherheit war auch das zentrale Thema eines weiteren Antrags der CDU und der FDP, allerdings mit den zusätzlichen Schwerpunkten auf Sicherheit für junge Männer, Sicherheit für ältere Mitmenschen und Sicherheit für Menschen mit Behinderung. Außerdem forderten CDU und FDP, nicht nur die bisherigen Maßnahmen aufzuarbeiten, sondern die Sicherheitspartnerschaft auch zu evaluieren.

Ein weiterer Antrag der Grünen, SPD, UL, JPG und FW forderte eine Konzeptänderung des Frauennachttaxis. So sollen Frauen nicht wie bisher nur am Wochenende, sondern jeden Tag ab 22 Uhr von jedem Punkt der Stadt aus das Frauennachttaxi benutzen können, der Preis von 7 Euro pro Fahrt solle hierbei gleich bleiben. Die Fraktionen schlagen eine zentrale Telefonnummer vor, über die bei allen Taxiunternehmen ein Wagen bestellt werden kann, um lange Wartezeiten zu verhindern. Eine Überarbeitung des Konzepts forderte auch ein weiterer Antrag der CDU und der FDP, die außerdem anmerkten, dass auch erfolgreiche Maßnahmen aus anderen Städten geprüft werden sollten.

2 Bürgerbegehren Dietenbach

Am 24. Februar 2019 werden die Freiburger_innen in einem Bürgerentscheid über den neuen Stadtteil Dietenbach abstimmen, wie der Gemeinderat einstimmig beschlossen hat. Die Frage dazu lautet: „Soll das Dietenbachgebiet unbebaut bleiben?“ Eine Präzisierung der Fragestellung mit dem Zusatz „westlich der Besanconallee“, wie noch in der Drucksache vorgeschlagen, um Verwechslungen mit dem nahen Dietenbachpark auszuschließen, lehnte die Initiative „Aktion Bürgerentscheid Rettet Dietenbach“ ab. Sie hatte über 12.000 Unterschriften gesammelt und damit das Bürgerbegehren eingereicht.

Ein interfraktioneller Antrag, die Informationsbroschüre zum Bürgerentscheid gesondert zu verteilen, öffentlich auszulegen sowie online bereitzustellen, wurde modifiziert übernommen. Ein Versand mit der Wahlbenachrichtigung wäre organisatorisch nicht möglich.

Einig waren sich alle Fraktionen, dass ein Bürgerentscheid ein wertvolles demokratisches Instrument sei. Dennoch spricht sich die große Mehrheit des Gemeinderats für den Bau des neuen Stadtteils aus, mehr dazu unter TOP 3. Informationen zum geplanten Stadtteil gibt es unter freiburg.de/stadtteil-dietenbach.

3 und 3.1 Überblick Wohnen in Freiburg

Die umfangreiche Vorlage zur Wohnungssituation hat der Gemeinderat in seiner Sitzung mit vier Enthaltungen beschlossen. Mehrheitlich beschlossen sind außerdem 50% geförderter Mietwohnungsbau für den geplanten Stadtteil Dietenbach, was SPD, UL und JPG beantragt hatten, mehr Infos dazu hier.

Mietpreise und Eigentum

In der Vorlage erläutert die Verwaltung die angespannte Situation auf dem Freiburger Wohnungsmarkt und gibt einen umfassenden Überblick über die Herausforderungen sowie Handlungsempfehlungen, damit mehr Wohnraum in Freiburg geschaffen werden kann. Die Stadt wird prüfen, ob die Mietpreis- und Belegungsbindungen in Sanierungsverfahren, insbesondere mit der Freiburger Stadtbau (FSB), verlängert werden können. Weiter wird der Fokus darauf gelegt, wie die Stadt ergänzend zum geförderten Wohnungsbau mehr mietpreisgedämpfte Wohnungen in neuen Baugebieten verwirklichen kann. Außerdem könnte es eine Neuauflage eines Eigenheimprogramms für Familien, Partnerschaften mit Kindern, pflegebedürftigen und / oder schwerbehinderten Angehörigen geben

Große Debatte im Gremium

Gerhard Frey eröffnete für die GRÜNEN die Debatte: "Wohnungsnot frisst sich immer stärker in die Mitte der Gesellschaft". Er warnte davor, dieser Entwicklung mit Rechtspopulismus zu begegnen und im Stile von "Das Boot ist voll" zu argumentieren. Vielmehr müsse der Freiburger Wohnungsmarkt durch den Stadtteil Dietenbach entlastet werden, auch wenn die Versiegelung des Bodens die grüne Seele schmerze. Es gelte hier aber: "Lieber ein ökologischer klimaneutraler Stadtteil, als deutlich großflächigere Versiegelungen im Umland bei noch mehr Einpendlern".
Wendelin Graf von Kageneck (CDU) stellte die Generalfrage "Wie schaffen und erhalten wir preiswerten Wohnraum?". Er verwies auf das schiefe Verhältnis von Angebot und Nachfrage bei Wohnraum. Daraus folge, dass Verdrängung weiter zunimmt und das soziale Problem Wohnraum sich verschärfe. Auch Graf von Kageneck sieht einen neuen Stadtteil als Lösung, um das Wohnraumdefizit zu bekämpfen. Hierbei sei wichtig, dass auch Freiräume geschaffen werden.
Renate Buchen (SPD) berief sich in ihrem Beitrag auf den Grundsatz Wohnen als Menschenrecht. Immer weniger Menschen seien in der Lage, sich gegen überhöhte Mieten zu wehren; Wohnungssuchende hätten keine Lobby. Für den neuen Stadtteil Dietenbach zu kämpfen, sei daher ein probates Mittel. Buchen appellierte, den "gesetzlichen Werkzeugkasten" unter anderem mit Zweckentfremdungsverboten oder Vorkaufsrechten voll auszuschöpfen, um auf den Wohnungsmarkt in der Stadt größtmöglichen Einfluss zu nehmen.
Michael Moos (UL) nannte das rasante Wachstum der Stadt "gewaltigen sozialen Sprengstoff". Ein Baugebiet in der Größe Dietenbachs müsse eine der Lösungen dafür sein. Bauen auf der grünen Wiese dürfe immer nur Ausnahme sein - sei aber angemessen, wenn wie hier dafür ein anderes zentrales Gut wie der soziale Zusammenhalt einer Stadt gefährdet sei.
Simon Waldenspuhl (JPG) stellte die Frage: "In was für einer Stadt wollen wir wohnen?" Jeder solle in Freiburg ein würdiges Leben führen können. Der Zuzug junger Menschen sei die Lebensader der Stadt. Beim Bürgerentscheid hoffe er, dass die Bevölkerung zwischen Einzelinteressen und dem Gesamtinteresse für Freiburg abwäge und sich für den neuen Stadtteil Dietenbach entscheide. Er hob außerdem hervor, dass die letzten zwei Jahrzehnte gezeigt hätten, dass die Kommune noch stärker Einfluss auf die Wohnpolitik nehmen müsse, weil der Markt es nicht richte.
Klaus-Dieter Rückauer (FF/FL) meinte "In Freiburg zu wohnen ist schön, aber schwierig". Er plädierte für mehr Fokus auf Innenentwicklung und riet, mehr in die Höhe statt in die Fläche zu bauen. Außerdem plädierte er dafür, die Wohnfläche pro Kopf zu verringern. Er fasste zusammen: "Wir tragen Verantwortung für die Stadt - sozial und architektonisch".
Johannes Gröger (FW) hob hervor, dass grundlegende Probleme wie zu geringe Einkommen durch die frühere rot-grüne Bundesregierung und ihre Hartz-Gesetze entstanden seien und die Stadt hier wenig Einfluss habe. Trotzdem müssten Lösungen auch auf Ebene der Kommune gesucht werden. Der Bau des Stadtteils Dietenbachs sei dafür "unumgänglich und notwendig". Gröger kritisierte außerdem die Menge an Bauvorschriften und die Liegenschaftspolitik der letzten 20 Jahre. Er schlug weiter eine städtische Wohnungsbaugenossenschaft vor.
Christoph Glück (FDP) warnte vor "Aktionismus", den die Drucksache verbreite. Er verwies auf die große Rolle der privaten Bauträger bei der Entstehung geförderten Wohnraums: Für sie fehle die Anerkennung, denn ohne sie gehe es nicht. Er appellierte: "Wir brauchen das Kapital der privaten und gewerblichen Investoren".
Auch die Bürgermeister_innenbank meldete sich zu Wort: "Wir müssen heute die wichtigen Weichen stellen", so OB Martin Horn. Er verwies an Zusagen von Studierendenwerk, Genossenschaften und weiteren Gruppen, in Dietenbach bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Baubürgermeister Martin Haag konterte die Befürchtung, dass ein barrierefreier und ökologischer Stadtteil nicht finanzierbar sei: "Wenn die Stadt selbst Grundstückseigentümerin ist, ist all dies möglich". Das zeigten Beispiele wie Gutleutmatten. Finanzbürgermeister Stefan Breiter brachte den Aspekt des Fachkräftemangels in die Diskussion mit ein: Die dringend benötigten Fachkräfte stünden in Freiburg allzu oft vor dem Problem des Wohnungsmangels. Daher müsse der Stadtteil Dietenbach kommen.
In einer zweiten Diskussionsrunde wurde zum benötigten weiteren Bauland für Genossenschaften (Walter Krögner, SPD), zur aktiveren Verfolgung von Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt (Ergün Bulut, UL, siehe auch TOP 4) und zu den Grenzen, wo bezahlbarer Wohnraum noch sinnvoll sei (Sascha Fiek, FDP) gesprochen.

Weitere Anträge zum Wohnen in Freiburg

 Einen Antrag der JPG-Fraktion wird die Verwaltung aufbereiten und prüfen. Im Antrag geht es darum, dass die bestehenden Einkommensgrenzen für einen Wohnberechtigungsschein im Rahmen des Landeswohnraumförderprogramm "Wohnungsbau BW 2018/2019" in Zukunft maßgeblich sein sollen und nicht wie in der Vorlage beschrieben, um 10 Prozent überschritten werden dürfen. Ein weiterer Antrag von der SPD-Fraktion wird von der Verwaltung übernommen. Die SPD schreibt darin, die Stadt solle eine Imagekampagne zum geförderten Mietwohnungsbau starten, um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu stärken und Vorbehalte gegenüber sozial gefördertem Wohnungsbau vorzubeugen. Zur Finanzierung solle die Stadt einen Förderantrag beim Land im Rahmen des Landeswohnraumförderprogrammes stellen.

4 Referat für bezahlbares Wohnen

Einstimmig hat der Gemeinderat das Referat für bezahlbares Wohnen auf den Weg gebracht. Chefin des Referats wird die Juristin Sabine Recker, die bisher stellvertretend das Rechtsamt geleitet hat und dort bereits für baufachliche Fragen und Projekte verantwortlich war. Die neue Abteilung wird sich dem Ziel widmen, alles, was mit bezahlbarem Wohnen in Freiburg zu tun hat, zu koordinieren, zu vermitteln, strategisch zu entwickeln und voranzutreiben.  Dabei geht es um vier Kernziele für bezahlbares Wohnen:

  • Baurechte für Neubau schaffen
  • Bezahlbarkeit im Bestand sichern
  • Akteure fördern und fordern
  • Baukosten senken

Den Antrag der UL, einen diskriminierungsfreien Zugang zu Wohnraum für Migrant_innen und Geflüchtete sicherzustellen, wurde als Prüfauftrag übernommen.

5 Freiburger Stadtbau: Neue Wege

Einstimmig beschlossen hat der Gemeinderat die Freiburger Stadtbau (FSB) als zentrales Instrument für die Bereitschaffung von bezahlbarem Wohnraum zu stärken und weiterzuentwickeln. Dafür stehen in der nun beschlossenen Vorlage viele Eckpunkte, aus denen die Verwaltung  ein Konzept erarbeitet, das nach der Sommerpause 2019 wieder in den Gemeinderat eingebracht wird. Außerdem beschlossen wurde, dass das Mietmoratorium bis 30. September 2019 verlängert wird. Da es bei Mieterhöhungen eine Ankündigungsfrist von drei Monaten gibt, sind Erhöhungen bei den Mieten der FSB somit frühestens zum 1. Januar 2020 möglich. Um den Ausfall an Einnahmen bei der FSB zu kompensieren, hat der Gemeinderat außerdem beschlossen, das städtische Erbbaugrundstück in der Carl-Mez-Straße 41 - 45 (Flurstücknummer 7528/13) mit einem Wert von 552 800 Euro an die FSB zu übertragen.

Einen interfraktionellen Antrag der UL und JPG wird die Verwaltung auf seine Umsetzbarkeit prüfen. Darin forderten die Fraktionen unter anderem, dass die FSB zukünftig nicht mehr im Bauträgergeschäft tätig sein soll. Des Weiteren soll die Zusammenarbeit der FSB mit der Quartiersarbeit in allen Quartieren intensiviert und Mieterinnen und Mieter stärker bei ihren Belangen beteiligt werden. Außerdem forderten die zwei Fraktionen, mehr Freiraumkonzepte zu verwirklichen und in größeren Wohnanlagen auch Räume für Bewohner_innentreffen zu berücksichtigen.

6 Neue Wohnbauflächen: Zwei weitere Optionen

Neben Zähringen-Nord und Stühlinger-West könnten bald weitere Flächen zu den neuen Wohnbauflächen zählen, wie der Gemeinderat beschlossen hat. Es soll dafür einerseits ein Rahmenplan "Sportpark/Dorfbach St. Georgen" aufgestellt werden. Dabei soll mit der Wohnraumraumentwicklung gleichzeitig die Verbesserung des Sport- und Freiraums vorangetrieben werden. Andererseits werden auch die Tunibergstadtteile in die Prüfung mit aufgenommen. Hierbei soll der Fokus auf dem Erhalt der Identität der Ortschaften liegen.

7 Soziale Erhaltungssatzung

Ausführlich hat die Stadtverwaltung den Gemeinderat über die rechtlichen Rahmenbedingungen sowie Chancen und Grenzen einer sozialen Erhaltungssatzung informiert. Auslöser waren die Pläne der Baugenossenschaft Familienheim, in der Quäkerstraße in der Wiehre Teile ihres Altbau-Wohnungsbestandes abzureißen und durch Neubauten zu ersetzen. Mit einer Erhaltungssatzung ist es möglich, auf Vorhaben Einfluss zu nehmen, die nach Planungs- oder Bauordnungsrecht eigentlich zulässig wären, aber absehbar negative Auswirkungen auf die Bevölkerungsstruktur in einem Quartier hätten. Klassischer Anwendungsfall sind an sich intakte Gebiete, in denen es durch umfassende Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen zu einer deutlichen Anhebung der Kaltmieten und damit zur Verdrängung der angestammten Wohnbevölkerung kommt.

Das weitere Vorgehen der Stadtverwaltung wird folgendermaßen aussehen: Potentielle Erhaltungsgebiete werden konstant beobachtet, damit man schnell reagieren kann, wenn es negative Entwicklungen gibt. Für den Familienheim-Wohnungsbestand in der Quäkerstraße und die geplante Sanierung eines Gebäudebestands der Deutschen Invest Immobilien in der Auwaldstraße (Landwasser) hat die Verwaltung einen interfraktionellen Antrag übernommen. So sollen dort bis Mai mit den jeweiligen Eigentümern Abwendungsvereinbarungen geschlossen werden. Sollten die Verhandlungen scheitern, wird der Gemeinderat eine soziale Erhaltungssatzung auf den Weg bringen. Außerdem hat der Gemeinderat mit großer Mehrheit beschlossen, im Rahmen einer städtebaulichen Detailuntersuchung die Voraussetzungen für den Erlass einer solchen Satzung im Stühlinger zu prüfen. Die Kosten dafür liegen bei rund 80000 Euro.

8 Zweckentfremdung von Wohnraum

Ohne Debatte hat der Gemeinderat einstimmig bei einer Enthaltung das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum verlängert. Die zugrundeliegende Satzung, die der Gemeinderat 2014 beschlossen hatte, soll verhindern, dass Wohnungen zu Ferienwohnungen oder Gewerberäumen umgewandelt werden. Die Geltungsdauer der Satzung war vom Land auf fünf Jahre begrenzt.

Veröffentlicht am 29. November 2018
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