Das Adolf-Reichwein-Bildungshaus begegnet Herausforderungen mit Offenheit und Teamarbeit

Eine Schule für Ausgeschlafene

Es gelingt mir kaum, alle Menschen zu kennen, die uns hier unterstützen“, sagt Johannes Schubert. Das liegt nicht etwa am zwischenmenschlichen Desinteresse des Schulleiters des Adolf-Reichwein-Bildungshauses in Weingarten, sondern daran, dass die Schule es sehr gut versteht, sich Unterstützung einzuholen. „Wir beziehen enorm viele Kräfte von außen in unsere Arbeit mit ein“, sagt Schbert.

Das Adolf-Reichwein-Bildungshaus ist eine Ganztagsschule, rund 80 Prozent der Schülerinnen und Schüler haben einen Migrationshintergrund. „Das Konzept einer deutschen Schule an sich ist für Menschen, die weder Deutsch sprechen noch das deutsche Bildungssystem kennen, schon schwierig genug zu verstehen, aber bei einer Ganztagsschule ist das alles noch viel komplexer“, sagt Schubert.

Schulklasse mit gehobenen Zeigefingern vor einem großen Bildschirm. (Foto: A. J. Schmidt)
Weg von klassischen Strukturen: Im Adolf-Reichwein-Bildungshaus wird die ganze Schule zum Lernen genutzt. Auch das Unterrichtsmaterial ist up to date. (Foto: A. J. Schmidt)

Die Elternarbeit ist entsprechend aufwendig: Was sind kostenlose Angebote? Was ist kostenpflichtig? Wo muss man das Kind anmelden? Wo kann es hingehen? Wo nicht? Hinzu kommen Kinder,  die kein Deutsch sprechen, vielleicht von einer Flucht traumatisiert sind. „Es sind große Herausforderungen, denen wir hier begegnen, aber das muss keiner alleine tun“, erklärt Schubert das Erfolgs konzept des Adolf-Reichwein-Bildungshauses. Stets offene Türen, ein regelmäßiger Austausch, Zeit für Besprechungen, auch wenn es nur kleine Fenster sind. „Wir versuchen, Mitarbeiter zusammenzubringen, die sich gegenseitig unterstützen können, und das geht nur, wenn der eine vom anderen und möglichen Sorgen oder Problemen weiß, die er zum Beispiel in einer Klasse hat“, erklärt Schubert.

Seit einigen Jahren schon beginnt der Unterricht an der Adolf-Reichwein-Schule für jede Schülerin und jeden Schüler morgens um 8.30 Uhr. Zwischen 7.30 und 8.30 Uhr gibt es für die Ganztagsschüler Betreuungsangebote. Die Idee für den späteren Unterrichtsbeginn ist im Team entstanden. Zum einen hatte die Wissenschaft gezeigt, dass es sich ausgeschlafen besser lernt, zum anderen wollte man Eltern entgegenkommen, die mehrere Kinder an der Schule haben und morgens verschiedene Anfangszeiten managen mussten.

Der Weg dahin führte über ein witziges und informatives Video. „Wir haben einen kleinen Film gedreht und ihn auf Youtube hochgeladen, dann haben wir den Link an die Kollegen geschickt. Die haben gesehen: Wow, da hat man sich echt was überlegt, das wirkt durchdacht – und waren recht schnell überzeugt“, erzählt Schubert. Das neue Zeitmodell wurde in der Endabstimmung nahezu einstimmig beschlossen – und es funktioniert bis heute zu aller Zufriedenheit. „Es hat für uns alle mehr Ruhe in den Morgen gebracht“, sagt der Schulleiter. 

Eine entscheidende Frage für das Kollegium des Adolf-Reichwein-Bildungshauses ist, wie man der heterogenen Schülerschaft und den sehr unterschiedlichen sprachlichen und kulturellen Hintergründen der Kinder gerecht werden kann. „Wir nehmen die Heterogenität als Normalität und richten danach unser Schulleben aus“, sagt Schubert, dem es wichtig ist, dass ein Flüchtlingskind in seiner neuen Klasse Freundschaften schließt und nebenbei die deutsche Sprache lernt. Viele Lehrkräfte unterrichten sehr individuell, die Schüler bekommen Aufgaben nach ihren Fähigkeiten. Das sorgt für eine gewisse Grundentspannung – in den Klassen, und auch in der Schule an sich.

Auch wird die ganze Schule  zum Lernen genutzt. Dass eine Lehrerin samt kleiner Gruppe im Treppenhaus sitzt, ist im Adolf-Reichwein-Bildungshaus völlig normal. Weg von festgefahrenen Strukturen, raus aus dem Klassenzimmer und auch aus der Schule, lautet das Motto. „Wir gehen regelmäßig mit den Kindern raus und entdecken den Stadtteil, das nachbarschaftliche Miteinander ist uns hier sehr wichtig“, sagt Schubert.

Den Umgang mit speziellen Situationen sind Johannes Schubert und sein Team gewohnt. Lange haben sie unter erschwerten Bedingungen und räumlicher Enge unterrichtet, bis vergangenes Jahr endlich zwei Erweiterungsbauten eingeweiht worden sind. Deshalb lassen sie sich auch von den neuen Entwicklungen nicht beeindrucken: Der Altbau wird komplett saniert. Das bedeutet gesperrte Klassenzimmer, Baulärm, wenig Platz. „Auch das kriegen wir auf jeden Fall hin“, sagt Schubert optimistisch.

Steckbrief

Bugginger Straße 83
79114 Freiburg-Weingarten
www.ars-fr.de

Leitung: Johannes Schubert
Lernende: 462
Lehrende: 81

Besonderheiten:
  • Ganztagsschule in Wahlform
  • Schulverbund von Grundschule und Sonderpädagogischem Bildungs- und Beratungszentrum mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung (Grundschule und SBBZ-ESENT)
  • Inklusion im Bereich emotional-soziale Entwicklung, Lernen und Sprache
  • Bildungshaus mit Kita und Schulkindergarten
  • 2 Grundschulförderklassen
  • Servicestelle Migration