Freiburg als Wiege des deutschen Bergfilms

Ein Pferdeschlitten kämpft sich durch tosendes Schneegestöber. Ebenso Männer, Holzscheite auf den Rücken gespannt. Hinter den vereisten Fensterscheiben: vergnügte, erwartungsfrohe Kindergesichter. Ein Mann gleitet auf Skiern durch den Tiefschnee, dicht gefolgt von seinem Hund. Abgelöst werden diese Aufnahmen von unberührten Schneelandschaften. 

Die Sonne bricht durch die dichte Wolkendecke und taucht die Kulisse in ein wundersames Licht. Schwarzwaldbauern nehmen ihre Arbeit wieder auf. Kinder machen sich auf Skiern auf den Weg zur Schule.„Ich halte Wintersonne über dem Schwarzwald für Sepp Allgeiers besten Kulturfilm“, so Werner Klipfel, der sich seit rund zwanzig Jahren mit der deutschen Bergfilmgeschichte beschäftigt. In und um Freiburg, so erklärt der pensionierte Schulleiter, seien die ersten Filme dieses Genres entstanden – die Stadt sei daher gewissermaßen die Wiege des Bergfilms. Verantwortlich dafür sind zwei Freiburger Filmemacher – Sepp Allgeier und Arnold Fanck –, deren Wirken Werner Klipfels Sammlung aus aufschlussreichen Dokumenten und Objekten dokumentiert. Kameras, Fotografien, Filmrollen, Plakate... Besonders stolz ist Werner Klipfel auf den gut erhaltenen Schneidetisch von Fanck, das größte Objekt seiner Sammlung, momentan ausgestellt im Museum für Stadtgeschichte.

1911 nahm der aus Freiburg stammende Kameramann Josef – Sepp – Allgeier, bekannt vor allem als späterer Chefkameramann im Team von Leni Riefenstahl, seine Tätigkeit für die Freiburger Express-Film-Gesellschaft auf. Nach ersten Film- und Fotoreisen – im Balkan etwa dokumentierte er filmisch und fotografisch den zweiten serbisch-türkischen Krieg – drehte er 1912 mit Alpine Technik des Kletterns im Fels den ersten deutschen Hochgebirgsfilm. Ein Jahr später nahm er als erster deutscher Kameramann an der Spitzbergen-Expedition Theodor Lerners zur vergeblichen Rettung von Herbert Schröder-Stranz teil. Im selben Jahr entstand in Zusammenarbeit mit Arnold Fanck ein Film über die Besteigung des Monte Rosa: 4628 Meter hoch auf Skiern. Es folgten diverse Produktionen, für die Allgeier und Fanck hoch hinauf und in den Schnee stiegen: Das Wunder des Schneeschuhs (1920/1922) – der erste deutsche Skilehrfilm – oder Der Berg des Schicksals (1924) beispielsweise, um zwei bekanntere unter ihnen zu nennen. Bemerkenswert an der Entstehung der ersten Hochgebirgsfilme sind vor allem die Bedingungen, unter denen gedreht wurde. Einige Fotografien aus Klipfels Sammlung bieten Eindrücke und zeigen: Die Filmemacher waren allesamt erfahrene Skifahrer und Bergsteiger, denn nur so war es ihnen möglich, unter enormer körperlicher Anstrengung zu filmen. Die Ausstattung geschultert, bestiegen sie zunächst die heimischen Berge, bis Fanck feststellte, dass die Alpen bessere Kulissen zu bieten hatten.

Seit dem Film über die Besteigung des Monte Rosa, 4628 Meter hoch auf Skiern, galt Arnold Fanck als Pionier des Berg-, Sport-, Ski- und Naturfilms. In Freiburg gründete er 1920 die Berg- und Sportfilm GmbH – zu deren Firmengeschichte Werner Klipfel ebenso wie zu derjenigen der Badischen Optik und der AG Freiburger Film (Wohin die Züge fahren und Auf Regen folgt Sonne) in den vergangenen Jahren viel geforscht hat. Anders als Sepp Allgeier, der während des Nationalsozialismus zum Chefkameramann Leni Riefenstahls avancierte und 1936 zum Reichskultursenator ernannt wurde, lehnte Fanck die Zusammenarbeit mit dem Propagandaministerium zwar zunächst ab, als er jedoch in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten drohte, entschied er sich doch dafür. Nach dem NS-Regime verarmte der Regisseur, da er keine Aufträge mehr erhielt. Weniger hart traf es Sepp Allgeier, der nach 1945 weiterhin als Kameramann tätig sein konnte, später, von 1953 bis 1955 fungierte er sogar als Chefkameramann beim SWR, bei dem er danach weiterhin als freier Mitarbeiter tätig war.

Wenn die Filmemacher Fanck und Allgeier in die NS-Propaganda involviert waren, so stellt sich die Frage, ob auch dem von ihnen geschöpften Genre des Bergfilms im Dritten Reich eine besondere Bedeutung zukam? „Das Teuflische des Nationalsozialismus ist, dass aus taktischen, militärischen und psychologischen Gründen alles aufgenommen wurde“, so Werner Klipfel. „Künstlerische Formen wurden instrumentalisiert.“ Bergfilme hätten selbstverständlich das gezeigt, was man zeigen wollte: „Harte Kerle eben“. So habe man auch mit diesem Genre versucht, die Leute zu vereinnahmen, vor allem Jugendliche für sich zu gewinnen.

Als ehemaliger Lehrer für Geschichte, Politik und Kunst setzt Werner Klipfel sich differenziert mit Themen wie diesen und somit auch mit den Hintergründen seiner Sammlung auseinander. Sammeln tut er nicht des Sammelns wegen, sondern ausgehend von einem großen Interesse für künstlerische Persönlichkeiten. So organisierte er bereits eine große Ausstellung zum Freiburger Künstler Julius Bissier und forschte zum emigrierten Freiburger Fotografen Felix H. Man. Auf die Freiburger Bergfilmer wurde er während eines München-Besuchs 1997 aufmerksam: Berge, Licht und Traum: Dr. Arnold Fanck und der deutsche Bergfilm, so lautete der Titel einer Ausstellung im Münchner Stadtmuseum. „Das muss man auch in Freiburg zeigen!“, dachte Klipfel spontan und begann zu recherchieren.

Text und Gespräch: Lisa Blitz Bilder: Lisa Blitz

Foto: Lisa Blitz
Foto: Lisa Blitz
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Veröffentlicht am 17.07.2017