Ein Stück Industriegeschichte – eine Sammlung von 800 Teeglashaltern
Es ist etwa dreißig Jahre her, dass M. D. die ersten Teeglashalter ihr Eigen nennen durfte. Damals, so erzählt sie, erbte sie von ihrer Großmutter das erste Set, bestehend aus sechs Haltern der Marke WMF. Dass sie eines Tages rund 800 Teeglashalter besitzen würde, war der Freiburgerin zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst.
In den ersten Jahren ihres Sammelns – sofern man das zu diesem Zeitpunkt schon so nennen konnte – kam nur hin und wieder ein Halter zu diesen ersten sechs hinzu. Etwa, wenn M. D. auf einem Flohmarkt oder in einem Antiquariat ein besonders schönes Exemplar entdeckte. Richtig begonnen hat ihre Sammelleidenschaft erst, als sie auf Ebay aufmerksam wurde und auf dem virtuellen Marktplatz die Vielfalt an Teeglashalter-Raritäten entdeckte. Seitdem begibt M. D. sich einmal wöchentlich gezielt auf die Suche nach diesen Objekten, von denen viele womöglich kaum eine Vorstellung haben. Teeglashalter – was ist das eigentlich? Wozu braucht man die? Betritt man das Wohnzimmer der 67-Jährigen wird einem schnell bewusst, dass Teeglashalter nicht nur mehr oder weniger praktische Alltagsgegenstände sein können, sondern wahre Schmuckstücke.
Gewissenhaft nach Material, Stil, Marke oder Herkunftsland sortiert, zieren M. D.s Teeglashalter zahlreiche Vitrinen ihres Hauses. In einer schönen, hölzernen Vitrine etwa bewahrt sie die echtsilbernen Halter auf, in einer anderen eine Vielzahl von WMF-Exemplaren, daneben einige, die in Warschau hergestellt wurden. Ein Blick in die Vitrinen zeigt, wie vielfältig die Teeglashalter gestaltet sind. Vom schlichten schnörkellosen Blechhalter bis zum kunstvoll gestalteten Jugendstilobjekt: Die Spannweite ist groß. Unterschiede zeigen sich nicht nur bei der Verwendung des Materials – Silber, Kupfer, Messing, Blech – sondern auch in der Herstellungsart: Manche sind bloß gelötet, andere gegossen und geprägt. Wenige von ihnen tragen einen Markenstempel – wie etwa diejenigen der Marke WMF – und so ist es teilweise unmöglich, zurückzuverfolgen, wann die Teeglashalter von wem hergestellt wurden. Bekannte Hersteller waren neben WMF etwa die Firmen Krupp Berndorf, Kaiser oder Argentor (Wien). Insgesamt, so schätzt die Sammlerin, produzierten etwa 300 Betriebe allein in Deutschland zwischen 1870 und 1950 Teeglashalter – „Die waren in dieser Zeit einfach der Renner“, erklärt M. D.. Für sie gilt beim Sammeln eine Regel: Nur jene Teeglashalter werden gekauft, die älter sind als sie selbst – also diejenigen, die vor 1950 fabriziert wurden.
Die Sammlung von M. D. ist noch lange nicht vollständig. „Mir macht das Sammeln Spaß und solange ich weiterhin immer neue Teeglashalter finde, sammle ich auch weiter“, erklärt sie. Das besondere am Sammeln ist für sie, dass man sich mit einem bestimmten Gebiet sehr gründlich beschäftigt und sich so auch darüber hinaus weiterbildet. Ihre Auseinandersetzung mit Teeglashaltern brachte ihr beispielsweise die europäische Industriegeschichte näher. „Ich habe immer noch den Traum, dass sich mal jemand meiner Halter annimmt und dazu eine Arbeit über Industriegeschichte in Deutschland schreibt“, so M. D.
Text und Gespräch: Lisa Blitz Bilder: Lisa Blitz