Schnürsenkel-Sammlung: Überbleibsel eines Freiburger Familienbetriebs

„Für mich war das irgendwie Ausdruck von Respekt. Respekt der Person gegenüber und ihrer Leistung. Respekt vor dem Fleiß und der vielen Arbeit“, erklärt Andrea Dietz. Als die Schnürsenkel-Firma ihres Bruders vor etwa vier Jahren schließen musste, versuchte sie gemeinsam mit ihrem Bruder David Dietz die Überbleibsel des Familienunternehmens aufzubewahren, das inzwischen in dritter Generation geführt worden war.

Überbleibsel, das sind: verschiedene Arten von Schnürsenkeln und Korsettriemen, meterweise Schnur, Garnspulen, Muster- und Farbkarten, alte, handgeschriebene Auftragsbücher.

1921 gründete Gustav Adolf Dietz, dessen Vater schon als Riemendreher gearbeitet hat, die Schnürsenkel-Firma in der Fabrikstraße 15. Ohne große finanzielle Mittel zog er das kleine Unternehmen in Freiburg auf, wo er, aus Wuppertal stammend, sich von Anfang an wohlfühlte. Mit der Produktion von Schnürsenkeln hat es begonnen, nach und nach kamen andere Produkte hinzu: Korsettriemen, Fastnachtspeitschen, Lederriemen, später auch Einlegesohlen. Manche der fast hundert Jahre alten Waren sind heute Teil der Sammlung von Andrea Dietz, die auch den ästhetischen Wert der alten Schuhbänder, Kästchen und Etiketten schätzt. „Ich finde die alten Produkte einfach schön“, so die studierte Historikerin. 

Nach dem Tod des Großvaters übernahmen zwei von insgesamt zehn Kindern den Betrieb: Herbert und Günter Dietz – Onkel und Vater von Andrea Dietz. Mehr durch Zufall entstand in ihrem Refugium in der Wiehre in den 80er Jahren der zweite Geschäftszweig: ein Großhandel für Puppenteile, der bis heute besteht. Mit Stephan Dietz, dem ältesten Nachkommen von Günther Dietz, übernahm die dritte Generation die beiden Betriebe unter dem Dach der Fabrikstraße 15. Recht schnell merkte er, dass er sich lieber auf den Puppenteile-Handel konzentrieren würde und überließ dem jüngeren Bruder, David Dietz, die Schnürsenkelfirma. „Unser aller Herz hing an dem Betrieb, in dem wir aufgewachsen sind“, so Andrea Dietz. Nicht nur sie und ihre Brüder, auch die Kinder des Onkels und alle zehn Kinder der Großeltern hatten von Kindesbeinen an in der Firma mitgeholfen. Was in der vorgehenden Generation noch Pflicht war, stellte für Andrea Dietz und ihre Geschwister, Cousins und Cousinen einen willkommenen Nebenjob während Schule und Studium dar. „Schon in der Grundschule habe ich angefangen, Kartons zusammenzustecken“, erzählt sie lachend.

Leider muss David Dietz nach einigen Jahren feststellen, dass der Betrieb nicht mehr rentabel ist. Die Konkurrenz aus Billiglohnländern ist einfach zu groß, die Firma in der Fabrikstraße zu klein, um mithalten zu können. Mit der Fabrikation von Schuhen ist auch die Fabrikation von Schnürsenkeln ins Ausland gewandert. „Nach vielen Diskussionen, langem Hin und Her, haben wir alle eingesehen, dass es keinen Sinn mehr macht. Die Firma musste geschlossen werden“, so Andrea Dietz. Ein schmerzhafter, emotionaler Abschied, doch die Erinnerung bleibt – und einige Erinnerungsstücke.

„Als ich einige Überbleibsel aus der Firma zu mir nahm, dachte ich, vielleicht habe ich irgendwann die Möglichkeit, sie auch anderen Menschen zu zeigen“, so Andrea Dietz. Aus dem Interesse an historischen Objekten und dem Bedürfnis einer Ehrerbietung an den Gründer-Großvater entstand also die kleine Sammlung der Freiburgerin. Eine Sammlung, die zeigt, wie Gewerbe damals ins Freiburger Stadtbild integriert waren. Die außerdem Zeugnis des schnellen Wandels ist: „Ich sehe noch meinen Onkel am Schwungrad stehen. Inzwischen ist alles hochtechnisiert, kaum einer benutzt mehr seine Körperkraft. Diese rasante Entwicklung finde ich beeindruckend.“

Text: Lisa Blitz

verschiedene lose Schnürsenkel auf einem Haufen.
500 Meter Garn aufgerollt.
verschiedene lose Schnürsenkel auf einem Haufen.
Schnürsenkel zusammengebunden in einer Kiste.
Veröffentlicht am 19.01.2018