Das Gesicht des Freiburger Ostens im Wandel der Zeit zeigen – Axel Steinharts historische Postkartensammlung

Axel Steinhart war gerade mal 18 Jahre alt, als er das erste Objekt seiner Sammlung in die Finger bekam. 1981, als er seinen Vater – einen ambitionierten Bandoneon-Sammler – auf den Flohmarkt begleitete, entdeckte er bei einem Händler einen unscheinbaren Schuhkarton.

Aufmerksam wurde er auf den Kasten durch die herausschauenden Karteikärtchen, die dessen Inhalt nach Postleitzahlen sortierten. Neugierig, was sich unter der 7815 – der damaligen Postleitzahl seines Heimatortes Kirchzarten – verbergen mag, stieß er auf vier, fünf Karten. Darunter: eine wunderschöne Ortsansicht von Kirchzarten aus dem Jahr 1908. „Ich war direkt fasziniert von der Karte“, berichtet Steinhart. Begeistert zeigte er sie seinem Vater, dem sie auch äußerst gut gefiel. Axel Steinharts Glück, denn als junger Mann waren die 9 DM, die das Objekt kosten sollte, ein stolzer Preis – der Vater spendierte dem Sohn die Karte, ohne zu ahnen, dass dies der Beginn einer großen Sammelleidenschaft sein würde.

Wenn es diese Karte gibt, so dachte sich Steinhart, dann wird es auch noch andere geben. So begab er sich bewusst auf die Suche nach weiteren interessanten Ortsansichten. Eine wahre Fundgrube: Briefmarkentauschtage. „Ich dachte mir, wer Briefmarken hat, hat vielleicht auch Postkarten“, schildert der Sammler. Und so war es. Er fragte sich durch die Reihen der Briefmarkensammler und nicht selten bekam er eine positive Rückmeldung. Damals wusste man noch nicht um den Wert von Postkarten, so konnte der junge Steinhart oft wahre Schätze für wenige D-Mark erstehen. Seine Sammlung wuchs und wuchs. Erst sammelte er nur Kirchzarten, dann das gesamte Dreisamtal. Als Feldberg-Karten hinzukamen, traf Steinhart die bewusste Entscheidung, sein Sammelgebiet einzuschränken – „Sonst hätte die Sammelei auch meinen finanziellen Rahmen gesprengt“. Die „natürliche Grenze“ ist seitdem, dass die gesammelten Gemeinden im Dreisamtal liegen müssen – St. Peter, Oberried, Kirch- und Hinterzarten etwa, der Freiburger Osten.

Es fasziniert ihn bis heute, dass die Karten das Erscheinungsbild der Gemeinden zeigen – „eine Momentaufnahme für die Ewigkeit“ – und zudem Aufschluss darüber geben, wie sich die jeweiligen Ortschaften damals präsentierten. Denn die Karten, so erklärt Steinhart, wurden in Auftrag gegeben, um so auf die Gemeinde aufmerksam zu machen. Vor allem die ortsansässigen Gastronomen investierten in diese Art der Werbung. Kneipen, Hotels und Wirtschaften wurden von den Außendienstarbeitern der Verlage aufgesucht, die ihnen stets aktuelle Angebote machten. Da man als Gastronom nicht als rückständig gelten wollte, ließ man alle zwei bis drei Jahre neue Postkarten drucken, die mit modernster Drucktechnik und nach aktuellsten kunstgewerblichen Gestaltungsformen – etwa im Jugendstil oder Art déco – entstanden. Viele Ansichtskarten – vor allem der 1900er bis 1920er Jahre – zeigen eine Gesamtansicht der jeweiligen Gemeinde und in einer Ecke recht groß das Gasthaus, welches für sich werben wollte.

1986 hielt Axel Steinhart seine Expertise in einem Buch fest: „Das Dreisamtal auf alten Ansichtskarten“ ist in der Umgebung die erste Publikation zu diesem Thema. „Damit habe ich mir selbst ein Ei gelegt“, schildert Steinhart. „Durch mein Buch wurden viele auf das Sammelgebiet aufmerksam. Vorher war ich – neben wenigen Heimatsammlern – so ziemlich der Einzige, der Dreisamtal-Ansichtskarten sammelte, nun bekam ich ernst zu nehmende Konkurrenz.“ Ärgerlich war dies auch deshalb, weil das steigende Interesse auch die Preise der Karten in die Höhe trieb und Axel Steinhart, als recht junger Sammler, nicht so viel Geld besaß, die „neuen“, wohlhabenderen Sammler, die ihr neues Hobby quasi aus der Portokasse finanzierten, auf Auktionen zu überbieten. „Selbst schuld“, resümiert Steinhart, dessen Vorteil seine Schnelligkeit war: „Als 18-Jähriger war ich natürlich schneller im Durchforsten der Karteikästen als mancher 40-,50- oder gar 70-jährige Sammler. Dafür war ich bekannt“, amüsiert sich der heute 54-Jährige.

Seine Sammlung, die er vor allem zwischen 1981 und 1995 zusammengetragen hat, umfasst inzwischen etwa 3000 Ansichtskarten aus dem Zeitraum von 1895 bis 1945, fein säuberlich chronologisch sortiert nach Ortschaften und Ortsteilen. Neuere Objekte, von denen er einige besitzt, reizen den Kirchzartener weniger, da Postkarten später zur Massenware wurden, die in hoher Auflage produziert und liebloser gestaltet wurden. Auch themenbezogene Spezialsammlungen finden sich innerhalb seiner Systematik: So beispielsweise einige Anlasskarten, die gedruckt und verkauft wurden, um im Vorfeld auf ein Ereignis hinzuweisen. Hierzu fällt Steinhart eine Geschichte mit leicht bitterem Beigeschmack ein. Eine Karte aus dem Jahr 1907, die auf das Feuerwehrfest in St. Märgen hingewiesen hatte, kaufte Steinhart für den stolzen Preis von 50 DM, weil sie ihm, kunstvoll gestaltet wie sie war, so gut gefiel. Die Karte kündigte unter anderem an, dass auf dem Fest Feuerwehrproben stattfinden würden – „und das Gruselige ist: am Festtag hat es in St. Märgen tatsächlich gebrannt. Fast der ganze Ort ist in Flammen aufgegangen“.

Axel Steinhart bezeichnet sich selbst als eine Art Hobbyarchivar. „Durch meine Sammeltätigkeit kann ich das Gesicht einer Ortschaft im Laufe der Zeit zeigen“, erklärt er. Über die Freiburger Stadtgeschichte sagen seine Postkarten insofern etwas aus, als dass man auf den Ansichten sehen kann, wie sich die Ortschaften um Freiburg strukturell verändert haben. In Littenweiler etwa, 1914 eingemeindet, entstanden in der 20er und 30er Jahren Villensiedlungen, die das Stadtbild erheblich veränderten, denn vorher hatten dort hauptsächlich Bauern, Handwerker und Tagelöhner gelebt. „Der Vergleich ist manchmal faszinierend. Wie auch heute noch war Freiburg damals schon in der Bredouille, dass die Stadt wuchs und wuchs – wohin sollte man ausweichen?“ Ein aufmerksamer Blick auf die Ansichtskarten aus Axel Steinharts Sammlung lohnt sich also auch in Hinblick auf aktuelle Entwicklungen.

Text und Gespräch: Lisa Blitz Bilder: Lisa Blitz

Foto: Lisa Blitz
Foto: Lisa Blitz
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Veröffentlicht am 22.08.2017